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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

endlich jeder Arbeiter, jeder Professionist nach gelieferter Arbeit sogleich seinen Lohn empfängt, weder Abzüge noch Kredit, wie diese den Professionisten oft in Europa niederdrücken, üblich sind, so leuchten jene fast durchgehends günstigen Verhältnisse der Deutschen in Australien wohl ein. Auch befinden sich alle diejenigen unserer Landsleute, welche die trüben Perioden Australiens vor dem Jahre 1844 und vor 1851 dort durchgemacht haben, jetzt im Allgemeinen wohl und zufrieden, und ergiebige Aecker, Gärten, und Weinberge, schöne zahlreiche Viehheerden, gewinnbringende Gewerbs- und Handels-Geschäfte sind die Früchte ihrer damaligen Sparsamkeit, ihres Fleißes und ihrer Ausdauer. Die Meisten haben sich fast gänzlich von dem, was man Deutsch nennt, getrennt, sie reden die englische Sprache, sie beobachten englische Sitten und Gebräuche, sie haben durchgehends den, namentlich von den Engländern so sehr geehrten Sinn für Recht und Gesetz, sie lassen ihre Kinder in deutschen und englischen Schulen erziehen, nur Wenigen klebt der deutsche Philister mit seiner bisweiligen Engherzigkeit noch an, und die Sympathien für ihr verlassenes Vaterland sind im Ganzen sehr gering.

F. Neudörfer. 




Große Werke kleiner Meister.

Wenn auch nicht mehr als unerreichbare Vorbilder, so staunen wir doch immer noch als riesenmäßige Werke der kleinen Menschenkinder die Pyramiden Aegyptens an, die ewigen Denkmale Pharaonischen Despotenthums. Und doch, was sind sie im Vergleich zu den Werken mancher kleinen Wesen, welche weder von einem despotischen Willen noch durch freie Verabredung dazu getrieben werden?

„Mit vereinter Kraft“ müßte zwar die Überschrift lauten, wenn man der Göttin des Aktienwesens auf Aktien Tempel bauen würde; aber in Fleisch und Blut ist dieser weltbewegende Grundsatz dem Volke doch noch nicht gedrungen; sonst würde manches dem Einzelnen und selbst Vereinen von Vielen Unerreichbare nicht mehr zu den frommen Wünschen zählen.

Die Natur, so verschiedentlich aufgefaßt, bald als allgemeiner großer Brotschrank – bald als Betstübchen, ist doch erst noch Wenigen ein Vorbild zu gemeinsamem Handeln. Es sei uns darum gestattet, die Natur einmal von dieser Seite unseren Lesern vorzuführen.

Wenn der hungrige Goldsucher von Californien nach dem noch goldreicheren Neuholland unter dem Glutstrahl der Aequatorsonne segelt, so geräth er etwa von dem 160. Längengrade an in ein wahres Meer kleiner Inseln. Auf der Landkarte steht hier über eine dichte Gruppe nicht viel über punktgroßer Inselchen hinweg der Name Polynesien, was „viele Inseln“ bedeutet. Der Seefahrer befindet sich hier mit seinem zerbrechlichen Fahrzeuge in einer gefährlichen Lage. Er befindet sich aber auch in einem an Wundern wie an verborgener Schönheit reichen Gebiete. Vom hohen Mastkorbe überschaut er oft mit Einem Blicke ein wahres Saatfeld kleiner Inseln. Flach wie auf dem Meere schwimmende Blätter sind sie mit einem weißen Kranze der schäumenden Brandungswellen gesäumt, vor deren Anstürmen sich die Kokospalme, die Herrscherin dieser wunderbaren Eilande, vom Rande der Inseln mehr nach dem Mittelpunkte zurückzieht, zwischen sich und dem Meere einen erstorbenen Küstensaum lassend.

Bei der Beschreibung dieser Inseln stimmen alle Reisende, welche offenen Herzens für die Natur sind, in Bewunderung überein. Der reisende Naturforscher findet in ihnen einen staunenerregenden Anlaß zum Nachdenken über ihren wunderbaren Ursprung. Die mächtigste Gewalt hat sich mit fast unsichtbar kleinen Wesen verbunden, um diese Inseln aufzubauen: der Vulkanismus und die Korallenpolypen. Als Dritter im Bunde gesellt sich zu ihnen das Meer, bereitwillig diese kleinen Theilchen seines unermeßlichen Gebietes aufgebend, indem es aus seinem Schooße Sand, Schaalthiere und die festen Ueberreste allerhand anderen Gethieres hinaufspült, um den neugeborenen Boden zu erhöhen. Dann führt es auch Saamen mancherlei Art herbei, um sie in dem jungfräulichen Boden Wurzel schlagen zu lassen, vor allem die nährende Kokosnuß und die steinharten Saamen anderer Palmen. Die Vögel, die rüstigen Wanderer, bleiben dann nicht lange aus und zuletzt kommt auch der Mensch mit seinem Gefolge von Hausthieren und nimmt das stille Eiland aus der Hand des Meeres in Besitz.

Das Meer ist ruhig und ladet uns zum Besuch einer dieser Inselchen ein. Je näher uns das schaukelnde Boot bringt, desto mehr glauben wir die schlanken Kokospalmen seien aus dem Meeresgrunde selbst herausgewachsen, denn die kräuselnde Brandung verdeckt mit ihrem schneeweißen Schaumstreifen das kaum fußhohe Land. Nach langer Fahrt um das schaumumgürtete Eiland sehen wir plötzlich eine Einfahrt sich öffnen. Die Insel ist blos ein kaum eine halbe Stunde breiter runder Landgürtel, der an einer Stelle offen ist. Wir rudern hinein und wie durch Zauberei befinden wir uns da in einer neuen Welt. Vor uns liegt der glatte Spiegel eines großen Landsees, dessen Ufer ringsum mit Palmen umsäumt ist. Heilige Stille umfängt uns; kein Wellchen kräuselt den krystallnen Spiegel, über den unser Boot lautlos dahin gleitet. Ein neues Wunder? Wir sehen um uns in seichter Tiefe einen tausendfarbigen Blumengarten den Meeresboden bedecken; denn das Meer trat ja mit uns in das Thor, und es ist kein Landsee, auf dem wir fahren. Doch wo ist der Blumenflor so plötzlich hin? Flohen die zarten Kinder dieses Thetisgartens vor dem eben recht laut auffallenden Ruderschlage unserer Bootsleute?

Es ist so. Denn die Blumen sind die Millionen Korallenpolypen, welche erschreckt in die kleinen Gemächer ihrer baumartigen Gebäude zurückfuhren.

Trunken von der wunderbaren Schönheit betreten wir das Land. Unser Fuß steht auch hier auf Korallen. Die heiße Sonne und die tropischen Regengüsse haben sie zerbröckelt und daraus einen von Thieren bereiteten Boden für die Pflanzen geschaffen. Da ist kein Stein und kein Fels; alle Steine des Bodens waren einstmals die Gehäuse von Thieren, deren Stoffe das Seewasser, aus dem sie stammten, längst wieder in sich aufgenommen hat.

Wir können nicht müde werden, diesen wundervollen Schauplatz der Thätigkeit so kleiner Thiere zu untersuchen. Die Lagune, so nennt man den scheinbaren Landsee, hat eine unbedeutende Tiefe, aber das äußere Ufer, welches nach dem Meere zu liegt, fällt schnell zu ungeheuerer Tiefe hinab. So ist denn die Insel mit ihrer Lagune die breite oben ausgehöhlte Kuppe eines hohen Berges, der von des Meeres tiefunterstem Grunde heraufragt und dessen flacher Gipfelumkreis eine Oeffnung hat, so daß er nun den geöffneten Landgürtel dieser sonderbaren Insel bildet? Genau so ist es.

Aber einst lag dieser Berggipfel, ohne Zweifel ein ehemaliger Vulkan, tief unter dem Meeresspiegel. Da siedelten sich auf ihm die kleinen wunderbaren Bauleute, die Korallenpolypen an. Sie fügten seiner Höhe allmälig und unabläßig etwas hinzu. Allein sie würden sicher aufgehört haben, als sie an dem Tiefpunkte angekommen waren, bis über welchen hinaus sie sich dem Meeresspiegel nicht nähern. Sie können ja eben nur im Meerwasser gedeihen. Wie also ist es gekommen, daß sich die Koralleninsel, die sie ist, über den Meeresspiegel erhoben hat? Der Berg, dessen Kuppe sie bildet, wurde von der Macht des Vulkanismus, welcher im Innersten der Erde thront, langsam und in einem Menschenalter wohl kaum bemerkbar, in die Höhe gehoben, wie es eben so mit der norwegischen Küste der Fall ist. Noch ehe sie den Meeresspiegel ganz erreicht hatte, spülten die sturmbewegten Wogen aus dem Meeresgrunde abgebrochene Korallenstücke, Schaalthiergehäuse und andere feste Körper darüber hin und halfen das Werk der vulkanischen Thätigkeit beschleunigen. So wird vielleicht einst auch die Lagune verschwinden, entweder aus ihrer Mündung in’s Meer auslaufen, oder allmälig austrocknen. Bei vielen dieser Koralleninseln, die man Atolls nennt, ist dies auch geschehen.

Viele dieser Atolls sind also durch Beseitigung der Lagunen zuletzt vollkommene Inseln geworden. Bei anderen dagegen ist der die Lagune umschließende Landgürtel in zahlreiche kleine Inseln aufgelöst, so daß statt Einer Insel ein Kranz kleiner Inseln

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_489.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2022)