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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Zeitung und darin Einladungen zu Bier, Tanz, Büchern, deutschen Geschäften und Läden aller Art findet.

Diesen Juli wurde ein Zweig der großen canadischen Eisenbahn zwischen Quebeck und Longueil eröffnet, von wo die zwei englische Meilen lange Eisenbahn-Lawrence-Brücke nach Montreal führt, welches bald das Hauptcentrum der canadischen Dampfcommunicationsmittel zu Wasser und zu Lande werden wird. Die große Bahn ist eins der riesigsten Unternehmungen dieses Jahrhunderts. Die Kosten sind auf 66 Millionen Thaler (9,500,000 Pfund) veranschlagt und werden jedenfalls bedeutend überschritten werden müssen. Mir wurde gesagt, daß über 10,000 Menschen daran arbeiten. Sie wird ihre eisernen Füße über ein Gebiet von 1200 englischen Meilen erstrecken und nach ihrer Vollendung (1858) von Quebeck aus nach allen Richtungen der Windrose für geringes Geld jedem Reisenden Flügel geben. In Verbindung mit den bestehenden und den Bahnen der vereinigten Staaten, im Anschluß an die jetzt gebauten Seedampfschiffe, die immer in 6-7 Tagen die Reise zwischen Liverpool und Quebeck (oder Portland im Winter) zurückschleudern wollen, wird sie nicht nur alle amerikanischen Hauptstädte bis an die Ufer des Mississippi in regelmäßige, lebendige Verbindung bringen, sondern auch ihre warmen, frischen Lebensblutpulsschläge bis Liverpool und London und von da bis Paris, Amsterdam, Rotterdam, Ostende, Hamburg und von da bis Köln, Berlin, Halle, Leipzig, Dresden u. s. w. ausdehnen, ohne daß man jenseits Frankreich und Hamburg jemals auf Tausenden von Meilen nach einem Passe gefragt wird, so daß man sich ihn auch niemals zu visiren lassen braucht. Ich fiel bei dem Manne, der mir ein Zimmer abgelassen hatte, ganz in Ungnade, nachdem ich ihm vom deutschen Paßwesen erzählt. Er sagte, so etwas könne kein Mensch vertragen, das sei unmöglich und ich wolle ihn nur mit abenteuerlichen Geschichten foppen. So wenig kann der Amerikaner unsere geordneten, polizeilichen Verhältnisse begreifen!

Wir freilich können uns eben so wenig eine Vorstellung davon machen, wie der Amerikaner ohne Polizei und Staat nicht blos zur lebendigsten Ordnung und Regelmäßigkeit, sondern auch zu einer Eleganz und einem Privatstaat kommen konnte, wodurch ich bei dem deutschen Leser in Ungnade fallen könnte, wenn ich Alles genau beschriebe. Ich denke hier zunächst an den Salon des Dampfschiffes, in welchem ich nach Montreal zurückfuhr. Der Mann, der mich in Montreal brauchte (Privatangelegenheiten, die ich stets unberührt lasse), hatte für mich erste Klasse bezahlt. So ruhten meine Stiefeln auf dem kostbarsten persischen Teppich, während ich halb liegend in einem prächtigen, weichen Armsessel mich wiegte. Vor mir ein riesiger, spiegelblanker Marmortisch auf vergoldeten Füßen, auf welchem sich besonders eine prächtig gebundene Bibel zwischen krystallenen Wasserflaschen vom feinsten Schliff bemerkbar machte. Von Oben glänzen prächtige Kronenleuchter herab und besehen sich in riesigen Spiegeln, an welchen sich große, feine Vasen mit kostbaren Blumen erheben. Klingel-, Thürgriffe und Klinken sind von Porcellan mit ächter Vergoldung oder Elfenbein. Die Sopha’s ringsum erröthen in lauter ächtem Sammet. Und der so ausmeublirte Salon war 150 Fuß lang, dessen Beleuchtung durch Himmelslicht von Oben („Himmelslicht“ heißen die Fenster in der Decke), am Tage eben so bezaubernd aussah, wie des Nachts in der brillantesten Beleuchtung. Die eine weitere Hälfte des Salons hat Seitenfenster, die andere ist ringsum mit Privatzimmern umgeben; jedes bequem ausmeublirt und mit zwei Betten versehen. In der Mitte am Ausschnitte für die Maschinen macht ein eleganter Barbierladen brillante Geschäfte, da Engländer und Amerikaner sich mindestens jeden Tag einmal, oft zweimal rasiren oder rasiren lassen, wenigstens alle, die erste Klasse fahren. Sie sind mehr oder weniger alle Sklaven ihres Backenbartes und der Angst um ein glattes Kinn.

In dem Salon der dritten Klasse sah es desto bärtiger und natürlicher aus, wo Auswanderer mit Weibern, Kindern, Koffern, Kesseln, Betten, Speisen und Getränken wie Kraut und Rüben durcheinander wühlten. In der einen Ecke stand ein Schilderhaus d. h. eine Schenke, aus welcher starke Recepte gegen Mäßigkeit und Nüchternheit verabreicht wurden, die auch ganz stark zu wirken schienen. Wenigstens bewiesen dies einige Irländer mit Frauen dazwischen, die sich über Koffer und Menschen weg boxten und bei den Haaren zerrten, so daß sie bald aufsprangen, bald niederstürzten und in einanderverschlungen herumkollerten. Man schickte nach dem Capitain, welcher jedoch auch bei den Irländern die Freiheit so respectirte, daß er antwortete: „Na, sie mögen’s ausfechten – unter sich selbst abmachen.“

Von Montreal werde ich nach Toronto, zum Niagara, nach Kingston, Boston, New-York und dann wahrscheinlich in Gegenden kommen, deren Namen und Lage ich selbst noch nicht kenne. Das Meiste hängt natürlich von dem Erfolge meines eigentlichen Reisezweckes ab.




Die Pflege der Augen bei Erwachsenen.

Bei Bestimmung des Berufes nach den Schuljahren sollte weit mehr Rücksicht auf die Beschaffenheit der Augen genommen werden, als dies zur Zeit geschieht. Daher kommt es denn aber auch, daß Viele nur zu bald durch Augenleiden für ihren Beruf untauglich und unglücklich werden. Arlt in seiner Schrift: „die Pflege der Augen im gesunden und kranken Zustande“ spricht sich hierüber etwa in der folgenden Weise aus. „Wer ein ganz gesundes Auge hat, mag nach Belieben seinen Beruf wählen, wer aber schwach- oder kurzsichtig ist, oder wessen Augen sehr zu Entzündungen geneigt sind, der vergegenwärtige sich so genau als möglich die Anforderungen, welche der eben zu wählende Beruf an seine Sehkraft wahrscheinlicher Weise stellen wird und die verschiedenen Schädlichkeiten, welche diese oder jene Arbeit für seine Augen nothwendig mit sich bringt. – Wer blos kurzsichtig ist, auch die feinsten Gegenstände unterscheiden und lange betrachten kann, sobald dieselben dem Auge nur gehörig (bis auf 4–10 Zoll) genähert werden, der kann Arbeiten vornehmen, welche ein genaues und angestrengtes Sehen erfordern. Jedoch ist es hier schon gewagt, sich eine Beschäftigung zu wählen, wobei man bald nähere, bald fernere Gegenstände genau zu betrachten hat, und zwar um so mehr, je größer die Kurzsichtigkeit und je bedeutender der Abstand zwischen den Gegenständen ist. – Wer an Schwäche des Gesichts leidet, feinere Gegenstände, auch wenn sie ganz nahe an das Auge gehalten werden, entweder gar nicht unterscheidet oder doch nicht hinreichend lange, der hüte sich vor der Wahl eines Standes, welcher den anhaltenden, besonders einförmigen Gebrauch der Augen zu kleineren, geschweige denn zu sehr kleinen Gegenständen erfordert. Hierbei werden deshalb so oft und so große Fehler begangen, weil man so häufig Menschen mit einer stumpfen, schwachen Sehkraft für kurzsichtige hält. Auch Diejenigen, welche nur auf einem Auge an Schwäche des Gesichts leiden, müssen von einer Beschäftigung abstehen, bei welcher kleinere Gegenstände lange anzusehen sind. Man bedenke hierbei, daß Einförmigkeit der zu betrachtenden Gegenstände in Bezug auf Entfernung, Größe, Farbe und Beleuchtung einen weit größern Aufwand von Sehkraft erfordert, als wenn Abwechselung hierin stattfindet und daß, wo diese oder öftere Pausen in der Arbeit stattfinden, selbst ein minder kräftiges Sehorgan, länger ausdauern kann. – Wer in der Jugend viel an Augenentzündungen gelitten hat und noch leidet, sowie eine besondere Neigung zu Rückfällen an sich trägt, sollte nie zu Arbeiten bestimmt werden, bei welchen die Einwirkung von Staub (besonders Wollstaub), Rauch, scharfen Ausdünstungen oder von Feuer und Hitze nicht wohl zu vermeiden ist. – Schwächliche, bleichsüchtige, blutarme Mädchen (s. Gartenlaube Jahrgang I. Nr. 49 S. 538), wenn sie sich dem Nähen, Sticken und dergl. widmen, laufen sehr leicht Gefahr, über kurz oder lang in Folge von Augenschwäche untauglich zu diesen Beschäftigungen zu werden.“ – Möchten die Aeltern, Lehrer und Vormünder die vorstehenden Winke bei der Wahl des Berufes ihrer Kinder und Pfleglinge nicht unbeachtet lassen.

Erwachsene haben ebenfalls Verpflichtungen gegen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_470.jpg&oldid=- (Version vom 28.9.2020)