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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

die Marianne erlitten, spielt sie dennoch den versöhnenden Engel zwischen mir und Franziska, bei jeder Gelegenheit sucht sie das Treiben ihrer Feindin in ein mildes Licht zu stellen. Doch halt, hier beginnt das Revier! Marianne erwartet einen leckern Rehbraten, und wir dürfen diese Erwartung nicht täuschen.“

Der Wagen hielt, und die Freunde stiegen aus, um die reizende Waldung zu begehen, die sich an einem sanften Hügelabhange ausbreitete. Die geladenen Gewehre auf der Schulter, verschwanden sie in den Gebüschen.

(Fortsetzung folgt.)




Amerikanische Briefe.

V.0 Quebeck.
Nächtliche Dampfschifffahrt von Montreal nach Quebeck. – Die Physiognomie Quebecks. – Die entscheidende Schlacht bei Quebeck. – Pelz- und Holzhandel. – Lage der Auswanderer. – Klima. – Steinkohlenvorrath auf 20,000 Jahre. – Zunehmende Wichtigkeit der Deutschen in Amerika. – Die Montmorenci-Wasserfälle. – Für 66 Millionen Thaler neue Eisenbahn. – Deutsches Paßwesen und amerikanische, gesunde Unpäßlichkeit. – Die Salons erster und dritter Klasse im amerikanischen Flußdampf-Omnibus.

Unser Schiff war ein drei Stockwerke hoher, unendlich langer Feenpalast, das gegen Abend mit Hunderten von Passagieren sich für die Nacht kühn den gewaltigen Lawrencefluthen anvertraute, die wegen ihrer Feindseligkeit gegen Schiffe kaum weniger berüchtigt sind, als der Mississippi. So lange die Ufer zu sehen waren, erschienen sie größtentheils eben und unansehnlich. Der Lawrence sieht klar aus, so daß die schmutzigen Massen, welche der ungeheuere Ottawa aus den wilden Gegenden hereinwirft, wo die Beamten und wilden Jäger verschiedener Rauchwerk- und Fellhandel-Compagnieen hausen, noch lange darin zu unterscheiden waren. Die anderen zum Theil bedeutenden Flüsse, welche von den vereinigten Staaten her (Richelieu, Yamaska, St. Francis, Nicolet, Chaudière mit einem Wasserfall) und vom Norden (Trois Rivieres d. h. drei Flüsse, Batiscan und nach mehreren andern der Montmorenci mit den großartigsten Wasserfällen nach denen des Niagara) zwischen Montreal und Quebeck in den Lawrence fallen und die Städte, die sich daran ausbreiten, passirten wir in der Nacht, so daß sich nichts davon sagen läßt. Als sich die Erde mit Morgenroth lichtete, sahen wir auch schon an beiden Seiten des eine englische Meile breiten Flusses die hohen felsigen Ufer, das Diamantkap (an Ehrenbreitenstein am Rhein erinnernd) und die Abrahamshöhen, die Quebeck umgeben und vor 95 Jahren das Schicksal Canada’s entschieden. Ich besuchte später das berühmte Schlachtfeld, wo der englische General Wolfe nach der kühnsten Landung die Franzosen unter Montcalm besiegte und letztere nöthigte, Canada den Engländern zu überlassen. Sieger und Besiegter, beide starben auf dem Schlachtfelde, auf welchem eine einfache Säule mit der Inschrift: „Hier starb Wolfe als Sieger“ die Stelle bezeichnet, wo er fiel. Im Schloßgarten der Stadt ließ der General-Gouverneur von Canada, Lord Dalhousie im Jahre 1827, mit mehr Geschmack und Gerechtigkeit einen Obelisk zum gemeinschaftlichen Andenken beider Helden errichten.

Diese wichtige Schlacht, welche das Schicksal einer der wichtigsten Ländermassen des neuen Continents entschied, verdiente wohl eine nähere Besichtigung, da sie in strategischer, wie in kulturhistorischer Beziehung merkwürdiger sein soll, als die Schlachten bei Leipzig und Waterloo, aber vom strategischen Theile verstehe ich nichts und der andere entwickelt sich noch in einer Breite und mit einer zunehmenden Geschwindigkeit und Energie, die noch keinen Ruhepunkt und keinen Rückblick zuläßt.

Während das Dampfschiff zwischen den wilden felsigen Ufern an der Vorstadt Quebecks unten vorbei schoß, hatte das Auge so viel zu thun und wurde von einer Menge so großartiger Eindrücke überschwemmt, daß mir nur ein wirres Bild geblieben ist, aus welchem nur die Levi-Spitze mit seiner lebhaften, von Fahrzeugen und gigantischen, bebauten Holzflößen aller Art umschwärmten Stadt an der rechten Seite, die hohe, bewaldete Orleansinsel weit über Quebeck hinaus, die den Lawrence in zwei Arme theilt, und die imposante Hochstadt Quebeck selbst an der linken Seite klar hervorragen. Ich schicke Ihnen eine in den Umrissen richtige, sonst aber ziemlich nachlässig gemachte Ansicht Quebecks vom Lawrence aus mit, wie ich sie hier gerade vorfand und überlasse es Ihnen, ob Sie dieselbe in verbesserter technischer Ausführung benutzen wollen. Ich bemerke nur noch, daß das Dampfschiff in der Mitte ein kleines Porträt der Paläste ist, welche zwischen Montreal und Quebeck regelmäßig jede Nacht die 180 englischen Meilen in 12 Stunden zurücklegen, wenn sie unterwegs nicht zerstoßen werden. Auf einer der großen Flößen, die aus den ungeheuern kanadischen Wäldern herabkommen und oft von fünfzig, sechzig bis hundert Menschen bewohnt sind, habe ich einige Stunden zugebracht und mir Wunderdinge erzählen lassen von dem canadischen Holzhandel und den wilden englischen, französischen, amerikanischen und indianischen Colonien und Stationen, welche dem unermeßlichen Norden Amerika’s seit länger als einem Jahrhundert die kostbaren Pelze abziehen, die Indianer und Jäger verwildert, ausgehungert und zum Theil vertilgt, England aber um mehr als 20 Mill. Pf. Sterling oder mehr als 130 Millionen Thaler bereichert haben, ohne daß die Londoner Hudsons-Bay-Compagnie, welche dieses Geld „machte,“ auf den Tausenden von Quadratmeilen, die sie beherrscht, nur eine einzige Schule oder Kirche errichten ließ, so daß die Indianer, denen sie die kostbaren Biber- und weißen Fuchsfelle abkauft (z. B. ein Biberfell, das in London mit zwölf, fünfzehn bis zwanzig Thalern bezahlt wird, für ein baumwollenes Tuch, welches der Compagnie 43/4 Penny, also etwa 4 Neugroschen kostete) noch jetzt oft im Winter ihre eigenen Kinder aufessen, um nicht zu verhungern. Diese wildeste und großartigste aller Jagd-Industrieen im unermeßlichen Norden Amerika’s auf Rechnung englischer, französischer, russischer und einheimischer Compagnien und auf eigene Rechnung der Heere von Freischützen interessirt mich so, daß ich sie noch besonders studiren und Ihnen schildern werde. Die mir mitgetheilten Thatsachen tragen ein so urwäldliches, wildromantisches und heroisches Gepräge, daß sie in einer übersichtlichen Darstellung gewiß jeden Leser lebhaft unterhalten werden.

Von dem großen, wimmelnden, hölzernen, schwimmenden Landungsplatze von einem irländischen Droschkenkutscher durch enge, zum Theil wie Felsen steil in die Höhe steigende Straßen in die Oberstadt hinaufgepeitscht, stieg ich auf einem großen, viereckigen Platze ab, wo großartige Hotels und stolze, alte Privatpaläste, mürrische, klosterartige Gebäude und mittelalterliche Kirchen dahinter, bärtige Gesichter und blaue Kittel mit einem Blicke zeigten, daß hier noch das alte, französische Gepräge vorherrscht. Erst im Jahre 1763 ward Quebeck definitiv unter englische Verwaltung gebracht. Mit Aufzählung merkwürdiger Gebäude und Stellen will ich den Leser nicht aufhalten. Seitdem nun auch das neue Parlamentsgebäude wieder abgebrannt ist, nachdem die Vertreter Canada’s auch in Montreal ausgebrannt worden waren, weiß ich kaum ein architektonisches Werk, das als solches auf besondere Aufmerksamkeit Anspruch machen könnte. Literarische Institute, Vereine mit Bibliotheken und Verträgen, wissenschaftliche, artistische und Erziehungsinstitute, große Zeitungen und viel Literaturabsatz verstehen sich in allen größeren selbst kleineren Städten allemal von selbst, eben so Kirchen für jedes Glaubensbedürfniß. Außer den Franzosen treten noch die Engländer, Schotten und Ireländer hervor. In den bisher besuchten Städten fand ich nur wenige, zerstreute Deutsche. Viele davon vertheilen sich auf dem Lande und concentriren sich in Canada bis jetzt besonders nach Detroit hin. Von den Deutschen in Amerika werde ich erst in New-York, Cincinnati, Philadelphia u. s. w. mehr erfahren. Ihre materielle, sociale, moralische und politische Wichtigkeit in Amerika steigt mit jedem Tage, so daß es wohl der Mühe werth ist, sich dieselben einmal näher und zugleich in ihrer Gesammtbedeutung anzusehen. Hoffentlich gewinn’ ich noch Zeit genug dazu, obgleich, wie Sie wissen, der eigentliche Zweck meiner Reise viel Zeit und Aufmerksamkeit in ganz andere Richtungen zieht.

So viel habe ich schon erfahren, daß es allen Auswanderern durch ganz Canada sehr gut geht und sie bei der überaus schnell wachsenden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_468.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2020)