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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Da drang die Kunde aus Californien herüber, daß man sich dort nur zu bücken brauche, um Klumpen Goldes aufzuheben, und daß die Goldjäger aus allen Weltgegenden nach dem Wunderlande strömten, Gleichzeitig zog der Revolutionssturm über Europa, die Literatur trat in den Hintergrund und Gerstäcker war es auch überdrüßig, immer und immer von Amerika zu erzählen.

„Ich gehe nach Californien!“ sagte er mir eines Tages aufgeregt. „Wissen Sie was dort das Beste ist?“

„Etwas anderes als das Gold?“

„Ah, Gold ist nur Chimäre.“

„Nun?“

„Abenteurer, Nichtsnutze und Lumpen strömen aus allen Welttheilen dort zusammen. Da giebt’s Charaktere! Da laufen die Romanhelden zu Tausenden umher; da lassen sich Studien machen! Und vielleicht giebt’s von da Gelegenheit weiter. In Deutschland ist am Ende für Schriftsteller lange nichts mehr zu hoffen; ich „belege“ eine hübsche kleine Insel in der Südsee, komme dann wieder und hole die Meinigen und die Freunde dahin ab.“

„Und das Geld?“

„Das findet sich.“

Es fand sich, Die Cotta’sche Buchhandlung, die schon manchen Reisenden im Interesse der Allgemeinen Zeitung ausgesandt hat, war bereit auch Gerstäcker in gleicher Weise zu unterstützen. Im deutschen Parlamente zu Frankfurt verhandelte man über Auswanderung, ohne recht zu wissen, wohin dieselbe zu leiten sei. Das Reichsministerium billigte also gern den Plan, von Gerstäcker sich Berichte über die Länder und Gegenden senden zu lassen, wohin die deutsche Auswanderung mit bestem Erfolg zu leiten sein dürfte und gab bereitwillig im Voraus Beiträge zu den Reisekosten.

Im März 1849 nahm Gerstäcker Abschied und von Bremen ging er mit einem Schiffe ab, das direkt nach Californien segeln sollte. Die Fahrt war glücklich, aber langweilig: unser Reisender faßte also, als das Schiff in Buenos Ayres anlegte, den tollkühnen Entschluß, während dieses die langwierige Fahrt um das Cap Horn herum mache, quer über ganz Südamerika zu reisen und das Schiff in Valparaiso wieder zu besteigen. Alle erklärten das Unternehmen, namentlich die Wanderung über die Cordilleren im Winter, für unmöglich, aber für Gerstäcker giebt es kein „Unmöglich.“ Er ließ sein Schiff absegeln, stellte sich in seinem Reiseanzuge dem Dictator Rosas und dessen Tochter Manuelita vor, einigte sich mit dem Courrier, welcher monatlich die Reise nach Valparaiso zu machen hat und fort ging es zu Pferd „in sausendem Galopp“ über die Pampas, vierzehn Tage lang, auf wiederholt gewechselten Pferden täglich und stets im Galopp, dann über die schneebedeckten Cordilleren unter haarsträubenden Gefahren, jede Minute fast dem Tode ausgesetzt, und glücklich langte er in Valparaiso an. „mit völlig durchgerittenen Hosen“ aber „ohne Wolf,“ während man sich an der Beschreibung der Tour einen Wolf lesen kann, Er hat sich in Valparaiso in dem Anzuge daguerreotypiren lassen, in welchem er den entsetzlichen Ritt machte, mit dem breiten südamerikanischen Hute und dem Poncho (Mantel) und das Bild gleicht allerdings so ziemlich dem „Abällino.“

Ueberstanden war die Landreise, aber sein Schiff hatte auch Valparaiso – bereits verlassen und alle seine Habseligkeiten mitgenommen. Da stand er, in keineswegs salonmäßigem Anzuge, so daß er den Mantel nie ablegen durfte, und ohne Geld, da er natürlich nur das Nothdürftigste mitgenommen hatte. Aber er fand Leute, die sich seiner annahmen und auch bald ein anderes Schiff, mit dem er die Fahrt nach Californien fortsetzen konnte.

Was er dort gesucht, fand er in reichem Maße; das Publikum wird sich überzeugen, wenn einmal sein californischer Roman erscheint, aber mit dem Golde, das er auch suchte, da er einmal im Goldlande war, hatte er kein Glück. Zwar stand er mehrere Monate lang halbe Tage halbnackt, mit großen Wasserstiefeln, im Wasser und schaufelte und siebte, aber es ist mit dem Goldsuchen eben wie mit der Lotterie. Einer bekommt das große Loos, Einige erhalten ansehnliche Gewinne, Andere fallen durch. Gerstäcker verdiente bei dem Goldsuchen, mit schwerer Arbeit, knapp den Unterhalt, gab dies Geschäft also bald auf und da das aus Europa erwartete Geld zufällig lange ausblieb, mußte er in anderer Weise sich durchzubringen suchen. Er griff zunächst wieder zur Büchse und zog umher, um Wild zu schießen und dies an die Goldwäscher zu verkaufen; aber das Wild ist ziemlich selten dort und es gehörten lange Märsche dazu, ehe einmal eine Beute zu erlangen war und wie diese dann viele Stunden weit zurückzubringen? Da nahm er die Axt und begann Bäume zu fällen und zu zerhacken für die Feuer der Goldsucher. Das lohnte besser, aber er hatte leider das Unglück, dabei einmal mit der Axt sich gewaltig in den Fuß zu hauen, Er konnte nicht gehen; vierzehn Tage lang lag er so allein in einem kleinen leichten Zelte und war auf die Gutmüthigkeit zweier Goldsucher angewiesen, die einen Tag nach dem andern Abends nach der Arbeit zu ihm kamen und ihm Wasser und etwas zu essen brachten.

Nach fast einjährigem Aufenthalte in Californien erhielt er endlich die Mittel, die Reise fortzusetzen. Er fuhr mit einem Wallfischjäger nach der Südsee, besuchte die Sandwich-Inseln, Tahiti u. s. w. und die Schilderung, die er davon giebt, gehört zu dem Schönsten, das er geschrieben hat.

Von da schiffte er nach Australien, wo man unterdeß auch Gold gefunden hatte. Es lockte ihn aber nicht, noch einmal auch darnach zu suchen, dagegen unternahm er hier die Wanderung, von der er oben sprach. Er wollte den Murray hinaufschiffen, obwohl alle ihm abredeten. Da es kein Boot zu dem Unternehmen gab, nahm er wiederum selbst die Axt, fällte einen Baum und hieb sich daraus ein Fahrzeug, etwa in der Form eines Backtroges. Auf diesem gebrechlichen Dinge begann er die Fahrt in Gesellschaft eines blutjungen deutschen Handwerksburschen; aber er mußte den ihm hinderlichen Gesellschafter bald aussetzen und die Fahrt selbst aufgeben, da der Fluß zwar sehr breit, aber oft lange Strecken so seicht war, daß er sich genöthigt sah, an dem Ufer hinzugehen und dabei sein Boot zu tragen. Er ließ es endlich stehen und setzte die Reise zu Fuße fort durch öde Wildnisse und der Gefahr ausgesetzt, von den da umherziehenden schmuzigen, boshaften Wilden gelegentlich erschlagen zu werden.

Aber er kam an das Ziel und seine kühne Wanderung machte in Sidney so großes Aufsehen, daß die Zeitungen dort alle davon sprachen und die fabelhaftesten Dinge erzählten,

Von Australien schiffte er nach Java und diese herrliche Insel, die er nach allen Richtungen durchstreifte, erregte sein wie aller Reisenden Entzücken. Nur eines trübte seine Freude da – es war ihm nicht möglich, ein Nashorn schießen zu können, welche Mühe er sich auch gab. Den Tiger, dessen Fell sein Zimmer schmückt, erlegte er auf einer Jagdpartie dort.

Von Java endlich segelte er direkt nach Hamburg, denn die Sehnsucht nach den Seinen war mächtig erwacht und im Juni 1852 kam er frisch und wohlbehalten, von den Freunden jubelnd begrüßt, zurück.

Bald saß er da wieder anhaltend am Schreibtisch. Er schrieb in wenigen Monaten seine „Reisen“ in fünf Bänden, und gleichzeitig in drei Bänden in englischer Sprache, die er so gewandt wie die Muttersprache gebraucht; auch ist bereits eine andere Frucht seiner Weltfahrten erschienen, sein Roman „Tahiti“ in vier Bänden, in welchem er namentlich den Conflict der Cultur mit der sinnlichen Natur der Eingebornen, der christlichen Religion mit dem Heidenthum, der Bestrebungen der protestantischen englischen und der französischen katholischen Missionäre u. s. w. sehr anziehend schildert.

Sein Skizzenbuch ist aber noch gar reich und er wird selbst bei fortdauerndem Fleiße und langem Leben kaum im Stande sein, Alles, was er für das deutsche Publikum gesammelt hat, mitzutheilen.

Fragen die Leser nun, wie es ihm möglich geworden ist, leicht zu ertragen. was er ertragen hat, so antworte ich: sein rüstiger Körper bequemt sich leicht allen Anforderungen, die an ihn gemacht werden, es wird ihm nie zu kalt und nie zu warm; er ist bewundernswürdig mäßig und begnügt sich mit dem, was eben zu haben ist; er hat keine Leidenschaft, deren Nichtbefriedigung ihm lästig werden könnte, er raucht und schnupft nicht, er besuchte nie regelmäßig das Wirthshaus, er fand nie Lust an Kartenspiel etc. Der einzigen Leidenschaft, die er besitzt, der Lust an Schießen und Jagen, konnte er dagegen stets recht con amore sich hingeben.

Um sie jetzt mit mehr Genuß befriedigen zu können, hat er

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_435.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)