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südamerikanischen Colonien aus, besonders in Chili. General Murillo, der eine Expedition hinüber machen sollte, bekam kurz vor seinem Aufbruche einen Besuch von einem stillen, ernsten, schwermüthigen Seconde-Lieutenant, um seine Betheiligung an dem Chili-Zuge anzubieten. Murillo wurde sofort so für ihn eingenommen, daß er ihn zu seinem Privat-Secretär und zum Capitän erhob. Drüben (in Peru) brachte er’s bald zum Infanterie-Major.

Baldomero Espartero.

Mehr als acht Jahre lang focht er drüben wie ein echter Held des Schwertes und erntete nicht nur den üblichen Ruhm der Offizierehre, sondern auch den eines tüchtigen, ehrenfesten Charakters. Er wurde fünf oder sechs Mal verwundet und immer wieder zur Leitung der gefährlichsten Unternehmungen gegen die Insurgenten bereitwillig gefunden. Doch hatte diese Tapferkeit selbst weiter keinen sittlichen Werth, da es eben nur galt, die Leute in Chili, Peru und Bolivia, also wahre Antipoden Spaniens, wieder der spanischen Krone zu unterwerfen. Nach dem Siege des Insurgenten-Generals Sucre 1824, mußte Mutter Spanien ihre südamerikanischen Töchter durch die Capitulation von Ayacucho freigeben. Espartero kehrte mit Narvaez, Maroto, Valez, Rodil, Alaix und dem durch sein Cuba-Märtyrerthum berühmt gewordenen Lopez nach Spanien zurück. Die Regierung zeichnete ihn aus, das Volk aber auch, nämlich durch den Spottnamen „Ayacucho“. Die Helden, welche Südamerika verloren hatten, mußten überhaupt viel Spott und Schimpf erfahren, so daß sie sich zu einer besondern Freundschaftsgesellschaft verbanden, um gemeinsam zu tragen und sich zu unterstützen. Im spanischen Bürgerkriege fanden sich mehrere dieser „Freunde“ zuweilen gegenüber, ohne daß dieses ehemaligen Bundes vergessen ward. Espartero namentlich trug dieser Freundschaft gegen Maroto edelmüthig Rechnung, als er die Convention von Bergara schloß. Später fand Espartero eine militärische Stellung in Logrono, das auch in der jetzigen Insurrektion eine Rolle spielt. Hier entwickelten sich seine beiden Haupteigenthümlichkeiten, Trägheit und Gleichgültigkeit nach aufregenden Thaten und Anstrengungen und Spielsucht. Letztere mit der Nebeneigenthümlichkeit, daß er fast immer gewinnt. Im südamerikanischen Kriege hatten die Herren auch mehr gespielt als gekämpft, und von Espartero hieß es, daß er sich ein bedeutendes Vermögen damit gemacht habe. In Logrono verliebte er sich in die schöne Tochter eines reichen Kaufmanns, Signorita Jacintha Santa Cruz, aber der Vater wollte von dem „Spieler“ nichts wissen. Doch brachte er ihn so weit, daß er mit ihm um die Tochter spielte, wobei er, wie gewöhnlich, gewann, so daß der Vater Ja sagen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_421.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)