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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

sagte er: „Du liebst mich nicht recht, Kathi. Sieh’, wenn Du es thätest, so würdest Du darüber Alles vergessen, Dich nicht so viel mit Wenn und Aber beschäftigen; Du würdest die Zeit kaum erwarten können, wenn ich kommen soll, kurz, Du würdest nur an mich denken.“

„Das thu’ ich, Rudolf, gewiß und wahrhaftig!“ fiel sie rasch ein, indem sie ihre Hand betheuernd auf das Herz legte. –

„Ja. aber nicht auf die rechte Art,“ erwiederte er kopfschüttelnd. „Das läßt sich so eigentlich gar nicht erklären, das muß man fühlen. Du redest Dir ein, Du liebst mich, und wenn ich da bin, da magst Du’s auch gern bestätigen, um mich nicht zu kränken, denn hast Du ein gutes Herz, Kathi, aber innerlich wahr ist es nicht. Mit mir ist das ganz anders. Sieh’, ich kam hierher, weil ich gern das Pommerland und die Küsten der Ostsee kennen lernen wollte. Bei Deinem ersten Anblick zuckt’ es mir im Herzen, ich liebte Dich. Das ist so geblieben. Ich bin nicht reich, Kathi, auch nicht von vornehmen Aeltern, mein Talent ist auch kein so bedeutendes, daß ich mich zu den Künstlern erster Größe zählen könnte, aber ich habe zu leben, kann eine Frau ernähren, und habe nicht zu fürchten, daß ich darüber mit meiner Familie zerfalle, wenn ich Dich dazu mache. Muß ich Dir denn das immer wiederholen? Was Du zu lernen nothwendig hast, um mit den Städterinnen umzugehen, das wirst Du lernen. Dafür hab’ ich keine Besorgniß, meine Besorgniß ist nur, daß Du mich nicht liebst.“ –

Es drängte sie, ihm um den Hals zu fallen, so aufrichtig sprach er, aber wieder hielt sie etwas zurück, und sie drückte ihm nur herzlich die Hand, während sie sagte: „Nun, hab’ nur Geduld mit mir, Rudolf, ich werde mir Mühe geben, nur an Dich zu denken, und wenn es wieder geschieht, daß mich etwas abhalten will, dann ruf ich Deinen Namen in Einemfort laut aus, hintereinander, bis Du wieder da bist. Blick’ nicht so böse. Sei gut, schilt mich, aber sei nicht so häßlich.“ –

„Wie kann ich das, Kathi?“ sagte er, indem er ihre Hand leise von der Stirn nahm, als sie ihn mit derselben streicheln wollte. „Wenn Du Dich erst zwingen mußt, mir anzugehören, so hast Du auch bald damit geendigt. Dein Vater ist eben so. Der ist aber alt und besorgt um sein einziges Kind, da kann ich ihm nur Recht geben; mit Dir ist das was anderes. Eine Geliebte weiß sehr rasch, was sie zu glauben hat oder nicht. Ich will, damit Du siehst, wie ich es meine, noch heute mit Deinem Vater reden und, giebt er sein Jawort, so kann der Pfarrer schon nächsten Sonntag das Aufgebot halten. Sag’, Kathi, ob Du das willst.“

„Nein, Rudolf,“ entgegnete sie zögernd und mit gesenktem Blick, „laß das heute. Der Vater ist übelgelaunt und hat sich zum Schlafen hingelegt. Morgen sprechen wir zusammen mit ihm, dann wissen wir gleich alle Drei, wie’s steht; Keiner soll ein Hehl vor dem Andern haben. Willst Du, Rudolf?“

„Nun ja,“ erwiederte er etwas gepreßt, „ich mag Dir nicht widersprechen. Es mag auch gut sein, daß eine Nacht dazwischen liegt; überleg’ es Dir recht, Kathi, hörst Du?“ –

„O ich weiß schon, wie’s ausfallen wird,“ lachte sie, über seine Zustimmung erfreut und nicht fähig, ihr Gefühl zu verbergen. „Da wird der Vater von Hochzeit sprechen, von Kuchen und Wein und einer großen Gesellschaft, die er gebeten haben will. Ich weiß das schon im voraus. Da wird nichts fehlen dürfen, was zu einem großen Staat gehört. Und weißt Du wohl, Rudolf, daß der alte Freiherr von Riedd mir auch schon eine Aussteuer versprochen hat? Er war vorhin hier, um seinen Sohn abzuholen, den man im Walde von einer Kugel durchbohrt gefunden.“

„Was?“ fiel Rudolf erschrocken ein. „Erschossen? Den Junker von Riedd?“

„Nein, nicht erschossen, nur verwundet. Man hatte ihn in unser Haus, oder in unsere Barake, wie der Vater zu sagen pflegt, gebracht. Wie’s zugegangen, weiß noch Niemand. Der alte Freiherr wird aber gewiß schwere Strafen für den Thäter verlangen, und nicht ruhen, bis er ihn entdeckt. Du kennst ihn ja, Rudolf, den Schloßherrn?“

„Gewiß, bin oben auf seinem Schlosse gewesen,“ erwiederte Rudolf sinnend und wie mit einem Gedanken kämpfend. „Er hat mir auch zwei Bilder abgekauft. Aber, Kathi, das ist ein großes Verbrechen, das Du da erzählst. Ich hab’ davon noch nichts im Klosterdorfe Riedd gehört. Wie ich jedoch durch den Wald gehe, ich wäre schon früher gekommen, aber das abscheuliche Wetter hielt mich ab; – ja, im Walde unter einem Eichbaum da fand ich den großen Hund des jungen Freiherrn erschlagen. Ich wußte gar nicht, was ich davon denken sollte. Sind denn hier Wilddiebe vielleicht?“

„Ei, wo denkst Du hin, Rudolf! Ueberall sind Wächter aufgestellt und nur bei dem Unwetter mögen sie zu Hause geblieben sein. Seid Jahr und Tag, seid ich denken mag, sind hier keine Wilddiebe gewesen. Nein, nein, da ist etwas geschehen, was nicht sein sollte. Hätte der gnädige Junker doch auch nur ein Wörtchen reden können, dann hätten wir vielleicht was erfahren; aber behüte, daß er sprach! Nur einmal schlug er die Augen auf, ein einziges Mal, das war Alles. Er wird doch gewiß wissen, wie es zugegangen.“

„Sicher, Katharina, wird er das wissen; aber ob er auch nur mit dem Leben davonkommt? Was hat denn der Doctor gesagt?“

„Die Wunde ist nicht gefährlich, des Junkers kräftige Natur wird das bald überwinden. Nun laß aber die Geschichte, Rudolf, und sag’ mir, was Du heute gethan bei dem gräulichen Unwetter. Das war ja, als ob der Gottseibeiuns durch die Lüfte gefahren wäre!“

„Hast Du Dich gefürchtet, Kathi?“ lächelte der Maler.

„I behüte! Ich und fürchten? Da muß es anders kommen. Nun sag’ schnell, was Du gemacht! Ich muß bald wieder hinein in’s Haus; wenn der Vater aufwacht und mich nicht find’t, so poltert er wieder eine Stunde. Ich möcht’ auch nicht, daß er uns beisammen sieht, bis wir nicht morgen ordentlich mit ihm gered’t haben. Er traut einmal den Stadtleuten nicht.“

„Mißtrauisches Volk,“ lächelte Rudolf. „Was ich heute gemacht habe? In meiner Stube habe ich gesessen und habe den Sturm abgemalt, den Blitz und die Wolken. Schade, daß ich den Donner nicht mit habe abmalen können; und gedacht habe ich an Dich.“

„Das ist recht schön von Dir. – Wohnst Du noch bei dem schwarzen Kreuzwirth?“

„Ja wohl, Kathi, in demselben Zimmer, wo Rosi gestorben ist, des Kreuzwirths Tochter. Der Vater hat mir einmal die Geschichte erzählt.“

„Und Du fürcht’st Dich nicht, Rudolf?“

„Vor was denn?“ lachte der Maler.

„Nun, es ist doch ein eigen Ding, in einem Zimmer zu wohnen und zu schlafen, wo Jemand gestorben ist. Da finden sich gar seltsame, wunderliche Gedanken ein. Ich war einmal da oben in der Stub’. Da war mir’s immer, als gukte aus jeder Eck’, aus jedem Winkel das blasse Gesicht der Rosi. Ich konnte gar nirgends hinschauen, da stand sie vor mir. Es war recht graulich; ich hätt’ nicht geglaubt, daß die Gespenster so nah zu den Menschen kommen. Nimm Dich in Acht, Rudolf, thu’ mir die Lieb’ und sei behutsam. Wenn man grade denkt, es passirt Einem nichts, da geschieht es just.“

Der Maler umschlang sie und flüsterte: „Wenn Du mir nur gut bleibst, Kathi, dann hab’ ich von Niemand was zu fürchten, auch von den Gespenstern nicht. Es giebt keine. Die Gespenster sind die Bilder unserer Unruhe, wenn wir gepeinigt sind von irgend einem trüben Gedanken. Mach’ mir nie solche, hörst Du, Kathi? Das wäre mein Tod! Und nun, gute Nacht, mein Schatz! Es ist spät geworden, der Mond blitzt durch die Tannen, ich habe noch einen weiten Weg.“

„Gute Nacht, Rudolf!“ gab sie zurück und duldete es still, aber ohne Erwiederung, daß er ihr einen Kuß zum Abschied auf den Mund drückte! –

Sie verweilte noch einige Minuten auf dem Platze und blickte Rudolf nach, bis er im Waldesdunkel verschwunden war. Ein leiser Seufzer begleitete sein Verschwinden, dann stand sie auf, warf noch einmal einen Blick dahin, und ging langsam in die Hütte. –

Rudolf hatte sich am Waldessaum noch einmal umgesehen. In der Dämmerung verschwamm die Gestalt seiner Geliebten, aber er winkte doch hinüber mit der Hand; es war ihm, als begegnete er ihrem Auge, dem schönen träumerischen Auge. In Gedanken versunken, von der Pracht der milden Nacht angezogen, schritt er durch den Wald anfangs am Meere hin, das in Spiegelklarheit sein weites Becken öffnete, um die tausend, tausend

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