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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Blätter und Blüthen.


Ein Bild aus der Wüste. Unter den freien Beduinenstämmen Afrika’s und unter deren berühmten Pferden war besonders eins weit und breit berühmt. Es flog schneller wie die Sandwolke des Sturmes und hatte zartere Glieder als der Strauß. Der Fürst eines Stammes, mit Namen Doher, hatte schon große Massen von Vermögen geboten, um dieses Wunder der edeln Rosse zu kaufen, aber vergebens. In dem Brande seiner Sehnsucht konnte er keine Ruhe finden, so daß er endlich auf folgende List fiel, in den Besitz den Rosses zu kommen. Er beschmutzte sein Gesicht mit dem Safte eines Krautes, kleidete sich in Lumpen, band sich ein Bein beinahe bis an den Hals hinauf und gab sich so die bemitleidenswertheste Gestalt eines verkrüppelten Bettlers. So ging er, um auf Nober, den Eigenthümer des berühmten Rosses, im Freien der großen Wüste vor den Zelten zu warten, wo er vorbei kommen mußte. Als er Nober heranfliegen sah, schrie er ihm jämmerlich um Hülfe entgegen.

„Ein armer Fremder! Seit drei Tagen lieg’ ich hier ohne Wasser, unfähig, einen Schritt zu gehen. Ich sterbe. Hilf mir, Allah wird Dir’s lohnen.“

Nober bot ihm gütig sein Pferd an, er möge nur kommen, aber der Schurke erwiederte: „Ich kann nicht aus. Hilf mir aufstehen!“

Nober, vom Mitleid ergriffen, stieg ab, führte das Pferd dicht heran, und bückte sich, um ihm aufzuhelfen. Aber mit der Elasticität eines Gummiballes sprang Doher jetzt auf das Pferd, und mit ihm davon fliegend, rief er höhnisch: „Ich bin Doher. Nun hab’ ich Dein Pferd und Du hast es gehabt.“

Nober rief ihm nach, nur noch ein Wort zu hören. Seiner Sache gewiß, machte Doher in gehöriger Entfernung Halt und fragte höhnisch, was er ihm noch für guten Rath mitzugeben habe.

„Du hast mein edles Thier genommen.“ sprach Nober ruhig und edel. „Da der Himmel dies so zugegeben, wünsch’ ich Dir Glück dazu; aber ich bitte Dich herzlich, es niemals Jemandem zu erzählen, wie Du dazu gekommen bist.“

„Und warum nicht?“ frug Doher.

„Weil,“ erwiederte der edle Araber, „weil ein anderer Mensch dann leicht wirklich in Deiner vorherigen Lage gefunden werden könnte, ohne daß man ihm hilft, da man ihn einer gleichen That fähig halten könnte, wie Du mir gezeigt hast. So würdest Du manche That des Mitleids verhüten.“

So sprach er und wandte sich ab.

Doher, von der Wahrheit, dem Adel und der Schönheit dieser Worte plötzlich ergriffen, ritt herbei, sprang von dem Rosse, gab es dem Eigenthümer zurück und umarmte ihn. Nober lud ihn in sein Zelt. wo Beide mehrere Tage verlebten und treue Freundschaft schlossen für’s Leben.





Eine neue menschliche Erleuchtung. Bald wird auch das alte Wort, daß „man Niemandem in’s Herz schauen könne.“ auf das hin es auch in manchen Herzen so finster geblieben ist, seine Richtigkeit verloren haben. Es handelt sich nämlich ganz neuerdings um nichts mehr und nichts weniger, als um eine so vollständige Erleuchtung des menschlichen Körpers, daß man durch die durchsichtigen Leibesdecken dessen Inneres genau beobachten und seine verborgenen Schäden und Ungehörigkeiten bei Licht betrachten kann. Allen Ernstes will diese erstaunliche Entdeckung oder Erfindung, wie man will, der bekannte Doctor Quetelet gemacht haben und hat sie der Akademie der Wissenschaften in London in einer Abhandlung überreicht. Sein Mittel ist darnach ein concentrirter elektrischer Strahl, also eine Art Blitz, aber jedenfalls ohne dessen Wirkung, dessen Licht die innern Theile gewissermaßen illuminiren, die überliegenden Leibesschichten durchsichtig machen und so den obern Körper in einen Transparent verwandeln sollte. Dies lautet freilich etwas sehr seltsam und es wird jedenfalls recht sehr zu rathen sein, nicht eher zu glauben, bis man gesehen; denn wenn man dabei auch an die bekannte Erscheinung erinnert hat, daß, wenn man die Hand vor ein Kerzenlicht hält, die Finger in rosenrother Färbung etwas durchsichtig sich ansehen lassen, so ist davon noch sehr weit zur künstlichen Illumination unseres Leibes. Nicht dessen verhältnißmäßige Durchsichtigkeit ist zu bezweifeln, wohl aber das Gelingen des Versuches, ein derartiges Licht hineinzubringen. Die Zeit wird lehren, was an dieser wunderbaren Entdeckung ist, die alle Herzensgeheimnisse verrathen würde.





Vorschriften für Setzermädchen. In den vereinigten Staaten werden bekanntlich auch Mädchen in Setzereien verwandt. Eine dortige Zeitschrift der „American Courier“ hat folgende humoristische Statuten für dieselben in ihrer Druckerei erlassen: 1) Die Arbeiterinnen müssen zur bestimmten Stunde in der Offizin sein. 2) Während der Arbeitsstunden dürfen keine Motto’s und Liebesgeschichten gelesen werden. 3) Keine Arbeiterin darf einen Liebsten in der Offizin haben, noch darf dieser sie setzen sehen, 4) Es wird nicht darauf gesehen, wie die Arbeiterin zu Hause ihre Speisen zubereitet, wenn sie nur mit der Bleispeise und dem Speck gut umzugehen weiß. 5) Wenn sie in’s Redactionszimmer geht, um eine Correctur zu holen, darf sie nicht länger dort verweilen, als der Redacteur es verlangt. 6) Es ist nicht erlaubt, sich beim Holen der Korrektur küssen zu lassen. Der Redacteur darf dagegen von seinem Privilegium zu küssen oder zu schelten nach Belieben Gebrauch machen. 7) Ladys, die ihr Mittagessen mitbringen, dürfen keinen Eßsalon aus der Offizin machen und das Papier für die Probebogen als Tischtuch benutzen. 8) Jedes Mädchen, das gewillt ist, in den Stand der heiligen Ehe zu treten, muß dies vier Wochen vorher anzeigen, damit ihr Platz anderweitig besetzt werden kann. 9) Verheirathete Frauen dürfen nur geduldet werden, wenn es bekannt ist, daß sie verheirathet sind. 10) Beim Setzkasten darf nicht gelacht und mit den übrigen Arbeiterinnen geschwatzt werden. 11) Die Arbeiterinnen dürfen weder rauchen, noch Tabak kauen, noch Schnaps trinken. 12) Es darf weder geklatscht, noch dürfen Liebeslieder gesungen werden, auch darf den Arbeiterinnen nur dann freies Entrée zu Theater, Conkerten und andern Vergnügungsorten gegeben werden, wenn sie in Begleitung dahin gehen.





Eine innere Mission. Seit die speciell sogenannte innere Mission gewissermaßen zu einer Macht in unserm Culturleben geworden, konnten nicht alle für eine Fortbildung des Volkes begeisterte Gemüther sich mit der Art und Weise, wie der Zweck jener Mission verfolgt wird, einverstanden erklären. Sind doch die Missionen überhaupt vielfach nicht eben die hellste Seite unsrer Zeit, treten sie uns auch nicht immer in so greller Gestalt entgegen, wie, wenn wir lesen, daß der berühmte Chinesenapostel Gützlaff, der die Herzen und Börsen seiner andächtigen und frommen Zuhörer so geschickt zu öffnen gewußt, eine junge – steinreiche, d. h. pfundreiche Frau hinterlassen habe. Um so erquickender ist es, da und dort die Spuren einen stillen geräuschlosen Wirkens edler und bescheidener Menschenwesen zu begegnen. Verstehen wir unter innerer Mission jede Bestrebung, welche darauf hinausläuft, die Nebenmenschen zu belehren, zu erziehen, heranzubilden und in nützlichen Verrichtungen zu unterrichten, so haben wir von einer solchen in anerkennendster Weise zu berichten. In dem romantischen Oberhalbsteinthale Graubündens liegen die kleinen Ortschaften Suvognin, Tinigona und Lonters; die weibliche Jugend des Thales ist eine mit körperlichen und geistigen Kräften gesegnete. Dem Unterrichte von ungefähr 60 Mädchen aus diesen Dörfern in weiblichen häuslichen Arbeiten, im Stricken, Nähen etc. hat sich mit noch zwei Lehrerinnen das edle Fräulein Lina Latour unterzogen, der bereits die Sänger von Suvognin ihre Bildung verdanken. Auch eine angemessene Erziehung giebt sie ihren Schülerinnen, und zwar nicht nur ohne alle Bezahlung, sondern sie schafft auch noch die nöthigen Gegenstände für den Unterricht aus eignen Mitteln an und vertheilt sie unter die Mädchen. Dies nennen wir eine ächte Missionärin und Volksfreundin und die Früchte einer solchen Aussaat können nur gute sein und zur edlen Nacheiferung ermuntern. Es ist noch viel zu säen auf altem christlichen Boden, und tausende unserer nächsten Mitbrüder und Schwestern warten noch auf eine so ächt christliche Humanitätspriesterin. wie Lina Latour.





Peruanische Bäder. „Als ich in Peru am Meeresufer wandelte.“ erzählt ein kürzlich von dort zurückgekehrter Reisender, „bot sich mir ein sonderbares Schauspiel dar. Die dortigen Damen ließen sich auf den Schultern indischer Badewärter, lauter starker kräftiger Männer, die nur mit Beinkleidern bekleidet waren, in die See tragen, und wenn diese tief genug hineingegangen wären, fingen sie mit den Damen auf den Schultern an zu schwimmen. Dadurch kamen die Letzteren in eine horizontale Lage und konnten sich des Bades ebenso gut, als wenn sie selbst schwämmen, erfreuen. Auf diese Weise gingen sie Meilen weit in die See und ich hörte diese Badeart nachher allgemein von ihnen als die gesündeste und sicherste rühmen.“





Ein Luftballon als Siegestrophäe. Der interessante Artikel in Nr. 11. der Gartenlaube: „Der Luftballon als Kriegsapparat“ – erinnert mich daran, daß ein solcher Kriegsapparat in dem kaiserlichen Zeughause Wiens, als Siegestrophäe mitten unter eroberten Waffen aller Art prangt. Es ist dies ein Luftballon von scheinbar gewaltigen Dimensionen; – denn da er zusammengedrückt an der Decke hängt, lassen sie sich nicht genau erkennen; was dieser Flugmaschine aber den besonderen Werth verleiht, und was ihr wohl auch die Ehre der Aufnahme unter Trophäen viel ernsterer Art verschaffte, ist der Umstand, daß Napoleon sich dieses Luftballons bei einem seiner Feldzüge, und zwar zum Theil in eigener Person bedient haben soll. Bei welcher Gelegenheit dies geschehen sei, darüber giebt mein Gedächtniß, das nur die flüchtige Beschreibung des Führers durch diese gewaltigen Räume zum Anhaltepunkt hat, keinen Aufschluß, indeß könnte irgend ein Wiener Leser der „Gartenlaube“ gewiß nach einer Okular-Inspection sehr leicht Mittheilung darüber machen.

A.



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