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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Jagdflinten entzog sich der Erfüllung seines Contracts nur dadurch, daß er sich in einen – Sarg verbarg.

Im „legitimen Gebrauch des großen Capitals“ giebt es keine Hindernisse. Die englischen Gesetzgeber sind ja selbst lauter große Capitalisten. Auch beschränken sich die Geldmacher, sonst sehr exclusiv und abgeschlossen gegen Alle, die weniger haben, im Geschäft gar nicht auf Stunde oder bestimmte anständige Sphären. Schuhwichse und Wissenschaft, Kunst und Kornbranntwein, Musik und Mostrich, Knochen und Könige – Alles nehmen sie in Schutz und greifen ihm unter die Arme, um sie so zu binden, daß ohne Gefahr und Arbeit für sie, nur Geld aus diesen Armen heraus und nicht wieder zurückfließen kann. Ein Künstler, der vor einiger Zeit in die Mode kam, verkaufte sich auf sieben Jahre an eine „party“ so, daß er nichts malen darf, was nicht ihr gehöre. Wie ich höre, macht sie mit ihm im Durchschnitt 500 Procent. Selbst die freie Wissenschaft wird von ihr ausgebeutelt. Eine bedeutende chemische Entdeckung, die vor einigen Jahren von einem berühmten Physiker gemacht ward und deren großartige industrielle Resultate er selbst nicht ahnte, kam vor die Augen einer „party“. Sie sah sogleich das Geld, das darin steckte, veranlaßte diplomatisch, daß sich eine Aktiengesellschaft für industrielle Ausbeutung der Entdeckung bildete, verkaufte dieselbe für 100,000 Pfund an diese Gesellschaft im Stillen, kaufte sie dann erst von dem Entdecker für 20,000 Pfund und steckte so 80,000 Pfund gleichsam aus der Luft in die Tasche. Dies Geschäft ward in England als einer der großartigsten „party-Streiche bewundert. Ein Organ der Empörung über solche moralische Niederträchtigkeit scheint nicht da zu sein. Jeder, der mit dem Gewinn von 80,000 Pfund einen Tadel verbände, würde als ein beschränkter Halbbarbar verhöhnt werden. Es wäre irrreligiös nach englischer Praxis, einer solchen Geldmasse nicht unbedingte Verehrung zu zollen.

Man erstaunt über die riesigen Geschäfte Londons, die glänzenden Läden mit Vorräthen, die in die Millionen gehen, und beneidet die Besitzer solcher Geschäfte, welche doch nichts sind, als die Sclaven ihrer „Eigenthümer.“ Sieh hinter die Coulissen und du findest dort die große Kreuzspinne der „party,“ welche alles goldene Lebensblut des Gewinnes ihm vom Herzen saugt. – Wenn die „gebildete Lesewelt“ das neueste Buch eines Schriftstellers in Tausenden von Exemplaren und eine Auflage nach der andern wegkauft, denke nicht an die Goldhaufen des Dichters, aber auch nicht an die des Verlegers, Letzterer ist der Verlegenste, da er die Bücher immer auf prächtiges Papier drucken muß, welches ihm der Eigenthümer eines großen Papierhandels durch den Besitzer desselben 15–20 Procent über dem Marktpreis liefert und ihn so stets von den Sorgen eines steigenden Wohlstandes befreit. Kurz, wo du großes Geschäft und Gedeihen siehst, beneide die „Besitzer“ nie. Sie sind fast allemal Sclaven von Eigenthümern des darin steckenden Capitals, welche die Besitzer nur als Mittel brauchen, das goldene Blut aus den Herzen der Arbeitenden zu saugen und gegen eine mäßige Vergütigung an die unsichtbaren, unverantwortlichen, in den höchsten Kreisen sich bewegenden Grund- und Capitals-Eigenthümer abzuführen. Der Geldmacher hat weiter nichts zu thun, als den geschäftlichen Apparat an die Arme seiner christlichen Mitbrüder zu legen, um zu sehen, wie der goldene Strom immer in seine Tasche mündet. Die Geldmacher freuen sich dieser schönen, ausgebildeten Einrichtung und lassen Jeden, der etwas bessern und ändern will und nicht an die höchste Freiheit Englands, nicht an die lautere Gottseligkeit der Hochkirche, deren Eigenthümer zu den großartigsten Geldmachern gehören, glaubt, als Feind der Freiheit und Religion in Zeitungen verfolgen, deren Eigenthümer sie zu diesem Zweck ebenfalls geworden sind.

Dieses Geldmachen ist ursprünglich die eigentliche Quelle der Größe und des Reichthums Großbritanniens. Daß sich zu allen Erfindungen und Verbesserungen und einträglichen Geschäften überall leicht und gern Kapitalisten finden, welche einzeln und vereint die großartigsten Summen hergeben, ist ein Segen, ist ein Beweis von dem großen, praktischen Sinne der Anglo-Sachsen. In dieser Form und Ausbildung aber, wie es jetzt praktizirt wird, läßt es sich nicht mehr lange halten. Die Unnatur des Verhältnisses zwischen Geist und Geld, Arbeit und Gewinn ist so ungeheuer geworden, daß man überall darunter leidet, selbst in den Kreisen der blos Geldmachenden, denen diese Spannung, dieser Kampf zwischen beiden Grundelementen des praktischen Lebens nicht mehr geheuer erscheint. Die Lösung der Widersprüche in dieser alltäglichen Schlacht des Lebens ist eine viel bedeutungsvollere Aufgabe der kommenden Tage, als die zwischen asiatischer Barbarei und europäischer Bildung.




Zur Schöpfungsgeschichte der Erde.

Feuer, Wasser, Luft und Erde, die man früher fälschlich für Elemente ansah, tragen in sofern zur Zusammensetzung unseres Erdballes bei, als sich Feuer im Innern desselben als Centralfeuer (feurig-flüssiger Kern) befindet, Erde und Wasser die Erdrinde rings um den Kern bilden und Luft um die Rinde als Atmosphäre (von etwa zehn Meilen Höhe) lagert. – Unser jetziges Wissen über den Bau der Erde und die Kenntniß der auf dieser herrschenden Naturgesetze läßt nun mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf den früheren Zustand unserer Erde schließen. Wir wissen nämlich, daß die Erde eine Kugelform hat, deren Durchmesser von einem Pole zum andern 1712 Meilen, die Oberfläche gegen 9,260,000 Quadratmeilen (wovon 6,260,000 M. Wasser und 3,060,000 M. Land) beträgt; daß diese Kugel an den Polen etwas abgeplattet ist und daß ihre Temperatur im Innern nach dem Mittelpunkte hin bedeutend zunimmt. Dringen wir ferner von der Oberfläche aus in das Innere der Erdoberfläche ein, so finden sich in verschiedener Tiefe ganz andere Gesteine und die Ueberbleibsel der verschiedenartigsten Pflanzen und Thiere, von denen sehr viele weder mit den unsrigen, noch mit den über und unter ihnen in der Erdrinde liegenden Ähnlichkeit haben. An sehr vielen Punkten lagern Gesteinsschichten mit den versteinerten Resten einer eigenthümlichen Organisation zwiebelschalenartig über einander und diese zeigen deutlich, daß von den höheren Thieren zuerst Fische, dann Amphibien, nach diesen Säugethiere und zuletzt erst die Menschen auf der Erde erschienen. Ebenso nehmen die Pflanzen von außen nach innen in der Erdrinde einen immer einfacheren Bau an und die Anzahl ihrer Arten wird fortwährend geringer, bis zuletzt fast nur solche Pflanzen vorhanden gewesen zu sein scheinen, welche sich in den Steinkohlen wiederfinden. Was aber die Gesteine betrifft, so weist die Chemie ganz klar die Bildung der höher gelegenen Gesteine und Erden aus den tieferliegenden nach. Kurz, Alles deutet darauf hin, daß das Neugeschaffene auf unserer Erde aus dem Untergegangenen erzeugt und dabei immer vollkommener hergestellt worden ist und daß dies wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit auch so fort gehen wird. – Die Wärme des Erdbodens hängt in ihrer obersten Schicht nur von der Sonne ab und diese Sonnenwärme erstreckt sich bei uns zu Lande nur etwa 60 bis 70 Fuß in die Tiefe, in heißen Ländern aber tiefer, in kalten weniger tief. Da wo man nun im Erdboden die Wirkung der Sonnenwärme nicht mehr spürt, befindet sich die sogen. Zone der unveränderlichen Temperatur; der Wärmegrad dieser Zone ist stets gleich der mittlern Jahrestemperatur und diese ist stets niedriger als die mittlere Tageswärme im Sommer, stets höher als die mittlere Tageswärme im Winter. Deshalb ist auch die Temperatur tiefer Keller im Sommer kälter, im Winter wärmer. Unterhalb dieser Zone stammt die Wärme vom Centralfeuer ab und diese nimmt stets auf hundert Fuß Tiefe um einen Grad zu, so daß bei 10,000 Fuß in der Tiefe das Wasser siedet, bei acht Meilen sich eine Wärme von 1800 Grad findet, bei welcher Eisen schmilzt, und bei etwa fünfzehn Meilen alle bekannten Körper feurig-flüssig werden. Demnach dürfte die feste Erdrinde auch nur eine Dicke von etwa fünfzehn Meilen haben können. Allein da wahrscheinlich die Temperatur im Erdinnern nicht ganz gleichmäßig zunimmt, und die Schmelzbarkeit der Stoffe durch den

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