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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Die neuen Goldfedern, angeblich mit Demant-Iridium und Rhodiumspitzen, welche nie stumpf werden sollen, schreiben aber so hart, daß man bei Vielschreiben sicherlich einen Krampf in den Finger bekommt. Ein Wechselaccept, ein Liebesbriefchen läßt sich allenfalls ohne Gefahr damit schreiben, falls sonst keine Gefahr mit dieser Art Schreiberei verbunden ist. Trotz aller Versuche die Stahlfeder wieder aus dem Felde zu schlagen mittels Federn aus Elfenbein, Schildkröt, Glas u. s. w., liegt sie noch mit eingelegter Lanze siegreich in den Schranken, die, mit ihr, nur noch die ehrwürdige Gänsefeder behauptet: eine „Feder mit Seele“, während die Stahlfeder ein kaltes seelenloses Wesen ist. – Aber sie ist bis jetzt siegreich und gewinnt von Tag zu Tag mehr Raum. England verbraucht gegenwärtig über 350,000 Pfund Stahl für seine Schreibfederfabrication, woraus etwa 500 Millionen Stück gefertigt werden. Etwa 2000 Hände werden dabei beschäftigt.

Auf der großen Londoner Ausstellung sah man kleine Stahlfedern zur Benutzung für die jungen Elfchen – gäb’ es dergleichen – welche auf die zarten blauen Vergißmeinnichtblättchen mit Gold aus Käferflügeln Reime schreiben; und dann wieder lag daneben eine wahrhaft schreckliche Stahlfeder von 31/2 Fuß Länge und 5 Pfund Schwere, woraus über 1 Million gewöhnliche Federn gemacht werden können. –




Blätter und Blüthen.

Türkisch-russischer Sklavinnen-Handel. Die fromme Frau Beecher-Stowe hat in der ganzen civilisirten Welt ein allgemeines Mitleiden mit den schwarzen Sklaven im südlichen Nordamerika hervorgerufen, namentlich unter den hohen Damen Englands, welches gleichwohl diese Sklaven eigentlich erzogen hat und sie bezahlt. Ohne die englische Baumwollen-Industrie in England würde man in Amerika keinen einzigen Sklaven beschäftigen, bezahlen und ernähren können oder wollen. Doch „Onkel Tom’s Hütte“ war einmal ein effectvolles christliches Buch, und es ist natürlich, daß jedes gefühlvolle Menschenkind über die Tom’s, Cassy’s, Topsy’s u. s. w. weinte. Aber gibt es nicht, uns näher, schönere, weiße, viel unglücklichere Sklavinnen, über die gleichwohl Niemand weint, weil man nichts von ihnen weiß oder nicht an sie denkt? Man höre nur! Ein Engländer erzählt in seinen kürzlich erschienenen „orientalischen Reisen“ folgende Scene:

Auf unserer Reise nach Palmyra mußten wir einige Zeit in Homah verweilen. Hier wurden wir Zeuge einer schauderhaften Scene, die gleichwohl in der Türkei nur eine gewöhnliche gewerbliche Thätigkeit ist. Eines Abends kamen vier schmutzige, schäbige Türken an und ein älterer Kerl, der wie das leibhaftige Verbrechen aussah, aber etwas besser gekleidet war. In ihrer Mitte kamen 11 georgische Mädchen, der Rest von etwa 50, die bereits verkauft waren, wie man uns erzählte. Man hatte sie an den Grenzen Georgiens (das zu Rußland gehört und an die Türkei grenzt) theils gestohlen, theils den Angehörigen abgekauft. Die 11 Mädchen wurden in eine Kammer, die neben unserm Zimmer lag, eingesperrt. Für ein Stück Geld bekamen wir sie zu sehen. Alle erschienen noch sehr jung, etwa 15–18 Jahre alt, zwei höchstens zwölf Jahre und von der überraschendsten Schönheit. Ihre herrlichen, schwarzen, feurigen Augen, rosigen Wangen, wallenden schwarzen Haare, ihr schlanker, bezaubernder Wuchs und ihre stolze, stumme Traurigkeit machten auf mich einen so unbeschreiblich tiefen Eindruck, wie ich noch nie etwas Aehnliches gefühlt und gelitten habe. Den folgenden Morgen wurden sie in den Straßen umhergetrieben und ausgeschrieen zum Verkauf, wie bei uns Obst und Kohl. Wir waren bei einer Handelsscene zugegen. Ein reicher Türke besah und begraspte eine „Waare“ nach der andern und bot dann für eine der zwölfjährigen, für welche 14 Beutel gefordert waren, 10. (Jeder Beutel enthält 500 Piaster = 120 Thaler.) Man bestand auf den geforderten Preise 1200 Thaler waren also viel zu wenig, ein Beweis, wie hoch die „Waare“ steht und was sie für ein „gutes Geschäft“ sein mag.

Die „Waare“ stand in ihrer rührenden, schmerzlichen Schönheit daneben und hörte den ganzen Handel mit an. Solche menschliche, höchste Schönheit ist mächtiger, als die Erscheinung des schwarzen Sklaven, der wenigstens doch immer noch für menschliche, nützliche Thätigkeit bestimmt ist, während diese herrlichen Mädchenrosen von Georgien gestohlen, gekauft und verkauft werden, um der ekelhaftesten türkischen Unsittlichkeit als Werkzeug zu dienen. Die unglücklichen Opfer wurden jeden Tag mehrmals durch die Stadt getrieben, auch kamen mehrere Kaufliebhaber in unser Hotel und handelten und prüften die verschiedenen Kaufsartikel in ihrer Kammer, wo sie sich bei der Annäherung jedes Käufers in Reih’ und Glied aufstellen und mehrere Bewegungen und Schwenkungen machen mußten, damit ihr Wuchs und ihr Gliederbau gehörig hervortraten. Wir beobachteten die Unterhandlungen mehrerer Kaufliebhaber. Mit dem unvergeßlichsten Schauder erfüllte es mich, als ein alter, faltiger, pockennarbiger Türke, offenbar von mehr als 50 Jahren, ein 15jähriges Mädchen kaufte, stumpfsinnig betastete und dann brutal mit sich fortzog. Mit einem furchtbaren Schrei stürzte sich eine andere ihr nach und umarmte und küßte sie unter den leidenschaftlichsten Ausbrüchen des Schmerzes. Die Verkaufte riß sich von dem alten Türken los, um ihre Schwester in voller Liebe und Verzweiflung zu umarmen. Der Eigenthümer sah kaum eine halbe Minute auf diese Abschiedsscene mit mürrischem Blick, dann riß er sein Opfer los und zog es fort. Ich hätte in diesem Augenblicke Befehlshaber der englischen Flotte sein mögen. Sofort würde ich dem Sultan befohlen haben, diesen scheußlichen Handel bei Todesstrafe zu verbieten. Hätte er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_319.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)