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Solange das Geschlecht des Mannes der Minuend ist und das Geschlecht des Weibes der Subtrahent, geht die Rechnung übel aus: die Welt ist minus unendlich.

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Das Sexuelle ist bloß die Subtraktion zweier Kräfte. Der Voyeur addiert drei.

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Der Mann, begrenzt und bedingt, will als erster die unendliche Reihe enden, die dem Weib gewährt ist. Er will öffnen, aber er will auch schließen. Darum jauchzt sie immer dem nächsten als dem Beginn der Unendlichkeit zu. Denn ihr Geschlecht hat mehr Phantasie als sein Geist.

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Ich und der Dichter des Geschlechts standen vor einer Schaubude und betrachteten den Automaten, der den Fremierschen Gorilla mit dem Weib darstellte. Der Gorilla drehte den Kopf und fletschte die Zähne. Das Weib in seinen Armen atmete schwer. Ich sah das Weib. Der Dichter drehte den Kopf und fletschte die Zähne.

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Der erotische Humor ist nicht Freiheit, sondern Ausgelassenheit, der Beweis der Unfreiheit. Sein Lachen ist nur die Freiheit vom Pathos. Dieser Humor ist der vergebliche Versuch des Mannes, sich über seine berechtigte Traurigkeit hinwegzutäuschen. Ein Humor mit umgedrehtem Spieß. In ihm triumphiert der Mann, der es nicht mehr ist: so weit ist es ein männlicher Humor. Gelegenheit macht Verlegenheit, und der Mann besteht vor dem Weib vermöge seiner Indiskretion. Eros hat vor der Tür des christlichen Geheimnisses geweint und geschwiegen; die drin aber haben gelacht und es weiter erzählt.

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Empfohlene Zitierweise:
Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/4&oldid=- (Version vom 8.8.2016)