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wie etwa der vertragsbrüchige Verkäufer beim verursachten Schaden dem Käufer jenen Gewinn entgegenhalten kann, den dieser später aus anderen nicht zusammenhängenden Geschäften erzielte. Ob ein Vorleser wie der Kläger in Wien in einer Saison mehr als dreimal einen Saal füllen kann und ob ihm die Vorträge im Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereines bei vorheriger Abhaltung der Vorlesung im Bösendorfer-Saale jenen Erfolg gebracht hätten, den sie wirklich hatten, ist für die Frage des Schadens, der dem Kläger durch die Vertragswidrigkeit der Beklagten entstand, vollkommen belanglos und der Erstrichter hat den von der Beklagten angebotenen entsprechenden Sachverständigenbeweis mit Recht abgelehnt.

Die Erfolge des Klägers im Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereines lehren aber wohl, daß der Kläger persönlich vermöge besonderer Umstände in Wien eine Stellung besitzt, welche auch die Ungunst selbst widriger Zeitpunkte überwindet. Er erzielte am 1./2., 7./3. und am 15./5. in Wien volle Säle und es darf angenommen werden, daß auch seine Vorlesung am 28./12. oder 6./1. den gleichen Erfolg gehabt hätte, und daß der Bösendorfer- oder Urania—Saal ausverkauft gewesen wäre. — — — Die Abführung von Beweisen im Sinne der beklagten Firma konnte bei einem Vorleser von Belang sein, der der Öffentlichkeit nicht bekannt ist; von dem sie sich nichts verspricht oder den sie aus sonstigen Gründen nicht hören will. Im konkreten Falle aber hätte die Aussage selbst erfahrener Zeugen jene Erwägungen, die zu Gunsten des Klägers sprechen, nicht aufheben können. Der Erstrichter ist daher auch auf die hier von der Beklagten angebotenen Beweise mit Recht nicht eingegangen.

Für die Schadensberechnung ist daher davon auszugehen, daß der Bösendorfer-Saal am 28./12. 1910 voll gewesen wäre. Es fragt sich nur, welche Preisskala anzusetzen ist. Nach dem Brief der Firma Emil Gutmann, vom 9./12. 1910 ist in diesem Punkte kein Zweifel möglich. Denn hier wird ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Eintrittspreise keinesfalls zu hoch anzusetzen und von 5 K abzustufen sind, daß eine genügende Zahl billigerer Plätze vorhanden sei. Ob der Kläger mit dieser Weisung der Firma Emil Gutmann an Albert Gutmann einverstanden war, fällt nicht ins Gewicht. Denn für Beklagte mußte, da sie nicht vom Kläger, sondern von der Firma Emil Gutmann alle Weisungen empfing, das maßgebend sein, was ihr die Firma Emil Gutmann anordnete. Wäre es zur Vorlesung im Bösendorfer-Saale gekommen, hätte sie ohne Gefahr, einen Vorwurf auf sich zu laden, die übliche niedrigere Preisskala, die einschließlich der 40 Referentensitze 1608 K brutto einbringt, wählen dürfen und müssen. Nur diese niedrigere Skala ist daher im gegebenen Falle entscheidend. Mit dem Briefe vom 9./12. 1910 sind die bestandenen Zweifel im Sinne der beklagten Firma gelöst und auf die von ihr angebotenen aufklärenden Beweise kommt es nicht mehr an.

Es erübrigt noch die Frage der Referentensitze, die zu Gunsten des Klägers zu beantworten ist. Gerade Beklagte wies in ihren Briefen auf das eigenartige Verhältnis des

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Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/25&oldid=- (Version vom 19.10.2023)