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II

Nachdem ihr Plan gescheitert war, kehrte sie zurück; bereit, selbst den Stimmen der Wißbegierde Trotz zu bieten, um den Preis, daß ihr gewohnter Anblick sie rascher zum Schweigen bringe. Mich beschäftigte indessen die Frage, wie sie sich selbst zu der früheren Umgebung verhalten würde. Ich fürchtete schädigende Einflüsse, da sie sich leichtfertig in Gefahr zu begeben pflegte. Vor allem mußte ein Zusammentreffen mit jenen, die ihr erst geholfen und sie dann im Stiche gelassen hatten, entmutigend wirken. Als ich sie zum ersten Male sah, erzählte sie mir die Einzelheiten ihrer Verbannung, dabei gab sie sich selber preis und sprach von einer vorübergehenden Depression. Später beobachtete ich sie mit Aufmerksamkeit; aber ich entdeckte nichts, was sie Lügen gestraft hätte. So in die Vergangenheit gerückt, erschien ihre Flucht nur als das Symptom einer zufälligen Krankheit. Dementsprechend benahm sie sich gleich einer Rekonvaleszentin, und wie sie die wiederkehrende Gesundheit spürte, war sie für Eindrücke empfänglicher, für Ratschläge dankbarer als sonst. Zu mir verhielt sie sich, als wäre in der Zwischenzeit nichts vorgefallen; da ich darauf nicht eingehen konnte, war sie befremdet, doch wir beide hüteten uns, ernsthaft die Rede darauf zu bringen.

Jetzt erst erhielt ich nähere Angaben über ihre Familie und sonstigen Verhältnisse. Von ihren Beziehungen hatte ich mir nichts träumen lassen; und sie verstand es, verschiedene Einflüsse gegeneinander auszuspielen. Da ich in alles eingeweiht wurde, verlor sie viel von ihrer Unabhängigkeit, es schien jedoch, als wollte sie sich freiwillig ihrer Macht begeben. Jedenfalls empfing ich selbst über Nebensächliches Aufschluß, ohne daß ich je gefragt hätte, aber wichtigere Gespräche kamen nicht in Fluß. Obschon wir, wie vorher, aufeinander angewiesen und täglich zusammen waren, stellte sich doch jener Wechsel von Spannungen nicht ein, der Frage und Antwort bedeutet und ein Beisammensein erst erträglich macht. Kaum, daß ich ihre gewöhnlichen Gedanken erriet, obgleich ich bemüht war, mich mit ihr in alter Weise zu verständigen. Wir lebten gleichsam in dünner Luft, die nicht mehr zu leiten vermochte, und mir zum wenigsten wurde das Atmen schwer. Früher hatte es zwischen uns bisweilen einen unausgesprochenen Zwist gegeben, der so ausgetragen wurde, daß wir einander scharf im Auge behielten; diesmal war ich es allein, der sich nicht gehen

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Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)