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lebte und selbst die Mystifikation veranlaßt hatte. Hingegen sollte es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten stehen. Man riet auf ein Experiment, einen bösartigen Scherz, das aber war gefehlt. Eine Wirkung auf andere lag keinesfalls in ihrer Absicht. Sie vertraute sich der Vergessenheit an; also trug sie sich mit Selbstmordgedanken, denn die Befreiung besteht darin, daß unser Andenken bei den Feinden und selbst bei Freunden erlischt. Da sie die Nachricht verbreiten ließ, sie wäre gestorben, vergriff sie sich nur in der Wahl des Mittels. Dennoch wurde nicht nur ich hinters Licht geführt. Es handelte sich auch nicht um einen unüberlegten Schritt, vielmehr um einen Plan, der mit strategischer Freude gegen jede einzelne Schwierigkeit operierte. Sie täuschte alle ihre näheren Bekannten, von jenen abgesehen, die sie ins Vertrauen zog. Diese wenigen standen ihr nicht besonders nahe, waren aber zur Ausführung ihres Planes unentbehrlich. Damals, als sie mir schrieb, fehlte ihr nichts, sie gab sich jedoch für krank aus, da sie denken mochte, man würde umso weniger Verdacht schöpfen. Später überschätzte sie ihre Kraft, erkrankte wirklich und erholte sich nur schwer, denn die Gefahr der Entdeckung war während der ganzen Zeit sehr groß. Die Verläßlichkeit ihrer Helfer war gering und konnte nicht vorher erprobt werden; sie ließ aber kein Mittel unversucht, um sich ihrer zu versichern. Sie konnte kein Bedenken tragen, die Treue gegen mich zu verletzen, da sie mir sogar die Gunst, um ihre Existenz zu wissen, versagt hatte. Gewiß war damals ihre Neigung zu mir völlig erloschen. Daß sie schließlich verraten wurde, lag nicht an ihr, aber sie hatte nicht bedacht, daß niemand, der eingeweiht war, zu schweigen vermochte; denn er hatte keinen Grund, sie zu vergessen. Dies war der schwache Punkt, sonst hatte sie geschickt jedes Hindernis besiegt. Sie wechselte mehrmals unauffällig ihre Wohnung und sogar den Aufenthaltsort und überließ es den Freunden, ihre Spur mit Sicherheit zu verwischen. Man hielt sie allgemein für bedenklich krank, so daß die Todesnachricht in der Tat nicht überraschte. Ihre Berechnung, daß man sich in diesem Falle um nähere Umstände nicht kümmern werde, irrte nicht. Denn sie war schon vorher beinahe in Vergessenheit geraten! Ihr Plan ging dahin, unter fremdem Namen in einer fernen Stadt zu leben. Die Behörden machten ihr keine Schwierigkeiten, sie wäre in dieser Hinsicht für alle Zukunft sicher gewesen; ihre Beziehungen hätten es ihr ermöglicht.

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Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)