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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


kam er in der Stille der Nacht, nur von zwei Gefährten981. begleitet, in das Kloster St. Johannes des Täufers und St. Mauricius, und sah unangemeldet zu, wie die Mönche zur Frühmesse sich versammelten, und ob auch welche im Schlafsaal zurückgeblieben waren; war nun alles in Ordnung’, so dankte er Gott; wo nicht, so strafte er die Schuldigen, wie sie es verdienten.

Die Geistlichkeit aber und die Gemeinde, tief betrübt über den Tod eines solchen Vaters, wählten den geistlichen Bruder Ohtrich, welcher damals bei dem Kaiser zu treuer Dienstleistung sich aufhielt, einstimmig zu ihrem Vorgesetzten und Erzbischofe, obwohl Aethelbert, so lange er lebte und gesund war, vielen von ihnen unverhohlen vorausgesagt hatte, daß das nicht angehen würde. Denn der Erzbischof und Ohtrich kamen, weil sie ganz verschiedene Charaktere hatten, nie mit einander überein, und Ohtrich wollte deshalb, nachdem er eine große Anzahl von geistlichen Brüdern und Fremden, denn er war der Schulvorsteher, vortrefflich ausgebildet hatte, lieber das Kloster verlassen, als darin bleiben. Indeß hatte der Kaiser nur mit Mühe vom Erzbischofe die Erlaubniß für Ohtrich erwirkt ihm zu dienen. Dies geschah am Tage der heiligen Auferstehung. An demselben aber ereignete es sich, daß der Erzbischof, wie er zur Messe angethan war, das heilige Kreuz, welches ihm, wie üblich, der Subdiaconus darbot, mit beiden Händen umfaßte und unter einem Strome von Thränen Gott bat, Ohtrich und Ico möchten doch nie seinen Sitz einnehmen. Und als darauf das heilige Amt völlig beendigt war und Aethelbert zu Tische saß, kündigte er allen Anwesenden öffentlich an, daß die Genannten ihm nie nachfolgen würden. Wie ihm das aber offenbar war, sagte er nicht, und dasselbe konnte mir auch nie jemand nachweisen. Auch nach seinem Tode noch bestätigte er alles, was er bei seinen Lebzeiten in dieser Beziehung verkündet hatte, seinem lieben Waltherd, der auch Dodico hieß, im Traume auf folgende Weise, wie mir derselbe selbst als eine wahrhafte Begebenheit erzählt hat. Als er nämlich im Bette lag, sah er in einer Verzückung des Geistes den Erzbischof an der südlichen

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/97&oldid=- (Version vom 6.8.2023)