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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


legen und in die Kirche tragen, und ihn am folgenden Tage begraben. 974. Er aber erwachte, wie die Leute erzählen, in der dritten Nacht wie aus einem langen Schlafe, hörte die Glocke läuten, und bat, dreimal rufend, ihm doch schnell das Grab zu öffnen. Voll Bestürzung drang einer, der das hörte, in den Evurger, den Hüter der Kirche, er möge dem Erzbischof in seiner Noth zu Hülfe eilen. Der aber behauptete, das alles sei nur eine Lüge, und schlug nach ihm mit seinem langen Stabe. So starb der Erzbischof frommen Andenkens, am 29. Juni. Gleich nachher aber erschien er dem Abte Liudulf und sprach: „Singt mir das Requiem!“ und verschwand vor seinen Augen. An seine Stelle ward sofort durch die Wahl und die Gnade des Kaisers Warin gesetzt und gesalbt.


3. Im zweiten Jahre Otto’s des Mittleren, ward Heinrich, Herzog der Baiern verhaftet und nach Gilhiem [Ingelheim] geführt, wo er sorgfältig bewacht wurde.

In diesem Jahre war der Winter lange strenge und trocken, und es fiel viel Schnee herunter.

975 setzte der Kaiser an die Stelle des verstorbenen 975. Erzbischofs Robert von Mainz seinen Kanzler Willigis, obwohl manche wegen der niederen Abkunft desselben dagegen waren. Denn Otto wußte, daß Gott die Person nicht ansieht, wie Petrus bezeugt [Apostelgesch. 10, 34], sondern daß er alle, die ihn von Herzen lieben, vorzieht, ihnen über alle Begriffe mit Ehre lohnend. Wie aber den Willigis die göttliche Liebe als künftigen Seelenhirten bezeichnet hat, darf nicht verschwiegen werden. Seine Mutter, eine sehr arme, aber, wie aus dem Folgenden erhellen wird, tugendsame Frau, sah, als sie ihn unter ihrem Herzen trug, im Traume, wie eine Sonne, aus ihrem Schooße hervorstrahlend, die ganze Erde mit ihrem Glanze erfüllte. Und in derselben Nacht, in der sie diesen Sohn gebar, kam der ganze Viehstand, den sie im Hause hatte, dadurch, daß alle Mutterthiere auch Junge männlichen Geschlechtes warfen, gleichwie glückwünschend mit der Hausfrau

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/91&oldid=- (Version vom 30.7.2023)