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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Verbrechens und der Verstricker der menschlichen Seele, einer ehrbaren Matrone mit folgenden Worten: „Die Königin Mathildis hat neulich, auf meinen Antrieb dem Gelüste ihres Ehegemahls nachgegeben und einen Sohn empfangen, der nun ohne allen Zweifel mir gehört. Du aber verschweige ja ein so großes dir anvertrautes Geheimnis.“ – Die Frau trauerte nun darob heimlich sehr, und zeigte es eiligst der Königin an, indem sie sie ermahnte, sie möchte beständig Bischöfe und Priester um sich haben, und dem Knaben gleich bei der Geburt mit dem Wasser der heiligen Taufe alles abwaschen, was, wie der böse Geist sich rühme, ihm wohlgefälliges an demselben entstanden sei. Und somit dankte sie Gott. Da aber Dämon, d. h. der Alles wissende[1], sah, daß er gänzlich hinter’s Licht geführt war, schalt er die Frau, und setzte hinzu: „Obwohl meine Absicht jetzt durch deine Lästerreden vereitelt ist, so habe ich doch soviel gewonnen, daß ihm und Allen, die aus seinen Lenden hervorgehen, meine Gefährtin, die Zwietracht, nie fehlen, nie sicherer Friede ihnen zum Theil werden wird.“ Das sagte aber der große Lügner und Feind der Wahrheit nur, weil er es wünschte, nicht (so hoffe ich), weil es so erfüllt werden sollte. Viele aber bestätigen, wie das im folgenden Buche sich darthun wird, daß unter diesem Fürsten und seinem Sohne häufige Bewegungen entstanden und wenig Sicherheit und Ruhe herrschte. In den Tagen aber, in denen derjenige Heinrich, der als Herzog der Dritte, in der Reihe der Scepterträger aber der Zweite seines Namens ist, zu regieren anfing, ist die Wucherpflanze der Bosheit verdorrt, und des holden Friedens lachende Blüthe hell hervorgetreten; und wenn ihm in einer Beziehung etwas ähnliches widerfahren ist, wie seinen Vorgängern, so ist das nicht seine, sondern seines gottlosen Anreizers Schuld. Wir lesen „ein Jegliches habe seine Zeit[2],“ aber nicht jegliche Zeit, d. h. von Gott ist nicht etwa den Lastern von Anfang an ein Platz eingeräumt; weil aber die Schwäche des Fleisches sich von Ansteckung nicht frei halten kann,

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/48&oldid=- (Version vom 26.7.2023)
  1. Thietmar giebt hier eine Erklärung des griech. Wortes δαίμων, daimôn.
  2. Pred. Sal. 3. 1.