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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

ergänze du und vollende die Schilderung dieser Zeiten für die Nachwelt. Ich Sünder habe in allem fahrlässig, nicht nach dem Guten, sondern nur nach dem Bösen getrachtet, habe erst spät mich auf den Pfad der Tugend begeben und nach Besserung gestrebt; ich habe in keiner Weise das Heil meiner Seele bedacht. Seit ich zum Seelenhirten berufen bin, habe ich meine Anbefohlenen nur mit Worten, nicht mit Werken gelehrt. Von außen schien ich tugendhaft zu sein, mein Inneres befleckte ich mit den ärgsten Gedanken; aus unreinem Samen entstanden, wälzte ich mich im Kothe, wie ein unreines Schwein. Da mag wohl einer sagen: „Dein Lob ist nicht fein!“ Dem antworte ich, daß ich in Wahrheit keinen schlechteren Menschen kenne, als mich. Deshalb klage ich mich so an, damit du, der du nunmehr die Wunden meiner Seele kennst, mir mit den nöthigen Heilmitteln helfen und mir, dessen Lebensgeschick du in mancher Hinsicht theilst, nach dem Maße die stützende Hand reichen mögest, wie du selbst vor deinem Gewissen zu erscheinen wünschest.

11. Die rühmlichen Thaten der ehrwürdigen Mahtildis, welche sie nach ihres Herrn Abscheiden verrichtete, will ich jetzt in wenige Worte zusammenfassen, allen Gläubigen zu einem heilsamen Vorbilde; weil es, wie die Schrift [2. Makkab. 12, V. 44 flgd.] lehrt, „ein guter und heilsamer Gedanke ist, für die Todten zu beten“ und durch Almosen ihnen Ablaß zu verschaffen. Ich habe gelesen, daß die Fesseln eines Gefangenen, den seine Gattin, die ihn für todt hielt, mit fortwährenden Seelenmessen bedachte, so oft sich lösten, wie Gott dem Vater die wohlgefälligen Opfer für ihn von ihr dargebracht wurden; wie er ihr erzählte als er, befreit, sein Haus wieder sah. Diesem Beispiele folgend, kam Frau Mathildis ihrem, vom zeitweiligen Tode bewältigten Gemahle dadurch zu Hülfe, daß sie den Armen, ja auch den Vögeln Nahrung gab. Auch stiftete sie in der oberwähnten Burg [Quidilingaburg] am dreißigsten[1] nach seinem Tode ein Nonnenkloster, dem sie, mit

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/45&oldid=- (Version vom 26.7.2023)
  1. Am 30. Tage nach der Bestattung wurde mit der letzten Seelenmesse die Todtenfeier geschlossen.