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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

ihm, sofort in der Kirche zu schlafen. Da aber ward er in der nächsten Nacht sammt dem Bette, in dem er schlief, von den Todten aus der Kirche geworfen. Dies klagte er wieder voll Schrecken seinem Vorgesetzten. Der aber befahl ihm, er solle, geschützt durch Reliquien der Heiligen und mit Weihwasser besprengt, nicht ablassen, die Wache in seiner Kirche zu halten. Er nun befolgte diesen Befehl und wollte wiederum in der Kirche schlafen; allein von Angst gequält, wachte er auf. Und siehe! da kamen sie zur gewöhnlichen Stunde, hoben ihn auf, setzten ihn dem Altar gegenüber nieder und verbrannten seinen Körper zu Asche. Als dieses der Bischof hörte, ordnete er ein dreitägiges Fasten an, zum Heile seiner und des Verstorbenen Seele. Von allem diesen könnte ich vieles sagen, mein Sohn, wenn meine Körperschwäche mich nicht hinderte. Wie den Lebendigen der Tag, so gehört den Todten die Nacht. Denn der Sterbliche darf nicht klüger sein wollen, denn daß er, wie St. Paulus [Röm. 12, 3] ermahnt, mäßiglich von sich halte.“

Weil aber zwei oder drei zu einem Zeugniß genügen, so habe ich die Vorfälle dieser unserer Tage aufgezeichnet, auf daß der Ungläubige die Wahrheit der Weissagungen der Propheten erfahre, deren einer [Jesaias 26, 19] bezeugt: „Deine Todten werden leben;“ und ein anderer: „Auferstehen werden die Todten, die in den Gräbern sind, sie werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und frohlocken.“ So oft Lebende dergleichen hören oder sehen, so bedeutet es immer etwas ungewöhnliches, wie dieses unter vielen andern ein Vorfall genügend beweist, den ich zum Theil aus eigener Erfahrung kenne, zum größeren Theil aber, insofern er mir persönlich unbekannt ist, wahrhaften Zeugen glaube.

Ich war auf meinem Gute Retmerslevo [Rotmersleben][1], als an einem Freitage am 18. December beim ersten Hahnenschrei ein helles Licht, von der Kirche austrahlend, den ganzen Hof erleuchtete, und zugleich ein ungeheures Gelärm wie ein vielstimmiges Grunzen sich vernehmen ließ. Jenes Licht sah mein Bruder Friedrich nebst

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/40&oldid=- (Version vom 25.7.2023)
  1. Lag ein wenig nordwestlich von Magdeburg.