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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

lesen. Als er nun einstmals auf den Kirchhof kam, sah er auf demselben eine große Schaar, welche einem Priester, der vor der Thür des Gotteshauses stand, Opfergaben darbrachte. Staunend blieb er zuerst stehen, dann aber verwahrte er sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und ging angsterfüllt durch sie alle hindurch auf die Sakristei zu, ohne auch nur Einen zu erkennen. Da fragte ihn eine Jüngstverstorbene, die ihm wohlbekannt war, was er hier wolle? und als sie erfuhr, weshalb er hergekommen sei, sagte sie, das alles hätten sie schon verrichtet, und verkündete ihm dabei, daß er selbst nicht lange mehr leben werde. Dies erzählte er darauf seinen Nachbarn, und bewies hinterher die Wahrheit desselben.

Zu meiner Zeit sahen und hörten in Magadaburg (wie ich dort, wo ich mich damals aufhielt, von zuverlässigen Augenzeugen selbst gehört habe) in der Kirche Wächter der Kaufleute, die in der Nacht zusammen wachten, ähnliches wie das Ebenerzählte, und holten die angesehensten Bürger herbei. Diese sahen, von ferne auf dem Kirchhofe stehend, Lichter auf den Leuchtern aufgesteckt, und hörten, wie zwei den Einladungspsalm 95 anstimmten und zugleich alle den Morgen-Lobgesang ordentlich hersangen; als sie aber näher gingen, konnten sie durchaus nichts entdecken.

Als ich dies am nächsten Tage der Tochter meines Vaterbruders, Brigida, der Aebtissin des St. Laurentius-Klosters, die damals krank darnieder lag, erzählte, wunderte sie sich darüber gar nicht, und erzählte mir sogleich folgendes: „Zur Zeit des Bischofs Baldrich, der 80 Jahre oder darüber den Sitz zu Utrecht inne hatte, war die Kirche eines Ortes, Namens Deventeri[1], durch die Zeit zerstört; diese ließ Baldrich neu erbauen, weihete sie ein und übergab sie einem seiner Priester. Als dieser nun eines Morgens ganz früh in der Dämmerung nach der Kirche hinging, sah er die Todten in der Kirche und auf dem Kirchhofe Opfer bringen und hörte sie singen. Dies erzählte er dem Bischofe, und dieser befahl

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/39&oldid=- (Version vom 24.7.2023)
  1. Deventer im heutigen Holland.