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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

hatte außer anderen Tugenden auch die Gewohnheit, daß er seinen Namen auf jeden Altar schrieb, und während er selbst Messe sang, weinte er so heftig, daß sein ganzer Körper naß ward, und lies darin nicht nach, denn, wie geschrieben steht, Thränen, um unserer Sünden willen von Herzen vergossen, verlangen nicht allein die Vergebung Gottes, sondern sie erlangen sie auch [Judith 8, 12]. Und damit er um so freier um die himmlische Gnade beten könnte, so war er auch gegen alle seine Schuldner milden Herzens.

Ach ich unwürdiger Diener des Herrn, der ich diesen meinen ebenerwähnten Brüdern in keinem Stücke nachgekommen bin! Gar vieler tugendhaften und frommen Menschen Beispiel habe ich so oft gesehen und davon gelesen, aber ich habe sie mir nicht zu Herzen genommen; mannigfachen Versuchungen, denen ich hätte widerstehen sollen, bin ich willig und weil ich nicht kräftig dagegen ankämpfte, erlegen. Denen ich nützen sollte, habe ich leider mehr geschadet, und habe meine Missethat beständig geheim gehalten, wie einen verborgenen köstlichen Schatz. Du mein Leser, oder du, mein theurer Nachfolger, brauchst nicht das zu glauben, was die Gunst der unzuverlässigen Menge von meiner nützlichen Wirksamkeit etwa vorbringt, sondern lieber komme mir, der ich schon stinkend geworden bin, durch das Heilmittel ermüdenden Gebetes und Almosengebens zu Hülfe, und entreiße mich so dem Rachen des gierigen Wolfes, der mich zerfleischt. Ich gebe dir nach der Mahnung meines Gewissens den Zustand meines Innern viel wahrhafter an, als ein Anderer dies vermag. Denn es giebt manche, die ich gegen das Gebot der Gerechtigkeit zu gelinde behandelt habe, und wenn diese, wie sie es verdienen, von dir[1] scharf gehalten werden, so ist nicht zu verwundern, wenn sie zu meinen Gunsten Verkehrtes und Uebertriebenes täuschend vorbringen. Halte die Mitte zwischen meinen Verkleinerern und meinen unzuverlässigen Lobpreisern und bitte bei Gott unablässig für mich. Ich weiß, daß, wie es sonst so Sitte ist, dir vieles, was von mir herrührt, mißfällt, dessen Abstellung und Verbesserung Gott und Menschen

  1. Er wendet sich hier an seinen Nachfolger.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/368&oldid=- (Version vom 23.11.2023)