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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

1017 den Tag bevor sie die Schuld der Natur bezahlte, in eine Verzückung versetzt, in der sie vor das Antlitz der heiligen Muttergottes gebracht wurde, wo sie das Glück hatte, daß ihr die dort in hoher Ehre strahlenden Erzbischöfe Tagino und Walterd [von Magadaburg] nebst dem Bischofe Aeid [von Meißen] Ablaß ertheilten. Auch erkannte sie daselbst die Basen des Erzbischofes Gero, Namens Miriswida und Emnilda und Eddila. Diese verließ ihre Abtei und schloß sich aus Liebe zum Herrn beim Kloster des Heidenlehrers St. Paulus zu Rom ein. Ferner sah sie noch eine vierte Base Gero’s, Odd genannt. Alle vier sangen jene Worte des Psalmisten: „Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen.“ [Psalm 116, 9.] Währenddeß erschien sie allen Anwesenden todt; endlich aber erwachte sie, erhob ihre Augen und verkündete Allen, was sie gesehen hatte: „Bisher habe ich gern bei euch geweilt, jetzt aber, da ich jene weit herrlicheren Zustände geschaut habe, empfinde ich Ueberdruß, länger in dieser irdenen Hütte zu wohnen. Ich sage euch in Wahrheit, daß ich euch morgen verlassen und den mir durch die Gnade Gottes vorher verordneten Platz einnehmen werde.“ Und so geschah es. Es ging aber ihre Seele im Herrn beglückt hinüber am 22. Mai. Mai 22.

Daß das Erzählte wahr ist, meine Brüder in Christo, das glaubt mir, und daß jene beiden gar nützliche Helferinnen unserer Kirche sind, das wisset zuverlässig. Sie haben auch mich Sünder in ihre frommen Gebete mit eingeschlossen, ohne dafür leider je eine Vergeltung von meiner Seite empfangen zu haben.


41. Als nun der Kaiser erfuhr, daß seine Gemahlin sich wieder leichter fühle und dem Herrn ein Gelübde gethan habe, dankte er Gott von Herzen und beging das Pfingstfest voll Andacht Juni 9. zu Wirthunu [Werden], welchen Ort der heilige Gottespriester Liudiger [Bischof von Münster], zuerst auf seine Kosten angelegt hatte, während ihm der Abt Hethenrich dabei mit der größten Hingebung aufwartete. Am folgenden Tage, also am 10. Juni, Juni 10. ging Thieddeg, Bischof zu Prag und Nachfolger des Märtyrers

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/340&oldid=- (Version vom 23.11.2023)