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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

voraussehend, also seine Zöglinge: „Säumet nicht, sondern vollziehet fleißig und rasch, was euch obliegt. Denn unser Herr, St. Kilian, wird sogleich merkwürdige Wunderzeichen thun.“ Wie groß aber die Tugenden des ebenerwähnten Kirchenfürsten gewesen, das ganz zu schildern, bin ich keineswegs im Stande; daß er großes Verdienst vor Gott habe, das glaube ich von Herzen.


4. Indessen bekam Heinrich Kunde von einer vielgepriesenen Frau, genannt Hatheburch, und entbrannt von jugendlicher Liebe, sehnte er sich sie zu besitzen. Sie war die Tochter Herrn Erwins, dem der Theil von Merseburg, den wir die Altstadt nennen, zum größten Theile gehörte, welches Erbe er bei seinem Hinscheiden, da er keinen Sohn hatte, seinen beiden Töchtern hinterließ. Eiligst schickte Heinrich, gelockt von Hatheburchs Schönheit und reichem Erbe, Abgesandte, und warb um sie, sein Wort verpfändend, denn er wollte seine Wünsche befriedigen, obwohl er wußte, daß sie als Wittwe verschleiert war. Sie aber ließ sich durch Rath und Bitten Vieler bewegen, den Abgesandten zu folgen, und wurde ehrenvoll empfangen und von den Seinen mit gebührender Liebe aufgenommen. Nachdem die Hochzeit der Sitte gemäß gefeiert war, kam der junge Ehemann mit seiner Gemahlin nach Merseburg, und indem er, berechtigt durch seinen hohen Rang, alle Nachbarn zu sich lud, fesselte er sie mit solcher Zutraulichkeit an sich, daß sie ihn wie einen Freund liebten und wie ihren Herrn ehrten.

Damals regierte Konrad, einst der Franken trefflicher Herzog, dann Ludwigs des Kindes Nachfolger. Diesen hatte der oben genannte Otto, der von allen Fürsten des Reiches zum König erwählt war, 911. sich selbst, weil er sich dessen für unwerth hielt, vorgezogen und sich sammt seinen Söhnen ihm als dem Herrscher untergeordnet. Zu der Zeit war Siegmund, Bischof von Halberstadt, ein kluger Mann, der durch seine Kenntnisse in allen geistlichen, wie weltlichen Wissenschaften sich vor allen seinen Zeitgenossen auszeichnete, geistlicher Vater und Hirt des östlichen Sachsens. So wie dieser, der mit der größten Frömmigkeit den glühendsten Eifer für das Reich Christi, das Zeichen der höchsten

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/34&oldid=- (Version vom 5.7.2023)