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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Sitte nach Mars, dem Kriegesgotte, benannt. Die Nachkommen aber hießen sie Mese, d. h. entweder die mitten im Lande liegende[1], oder sie wurde so nach einer Jungfrau benannt. Fragt man aber nach den Herrschern derselben bis auf Christi Geburt oder später, verlangt man eine Schilderung ihrer mannhaften Thaten, so gestehe ich, daß ich darüber weder selbst von den hochbetagtesten Leuten etwas gewisses aufspüren kann, noch schriftlich irgend etwas aufgezeichnet finde. Um daher unwahre Erdichtung zu meiden, lasse ich diese Zeit lieber ganz unberührt.

Beginnen wir demnach mit König Heinrich (I.), der die damals verschiedenen Herren gehörigen Theile der Stadt Merseburg vereinigte und weit größere Besitzungen, als diese, voll Tapferkeit und thätiger Umsicht hinzu erwarb. Erzeugt von Eltern des edelsten Stammes, von Herzog Otto [von Sachsen] und Hedwig [von unbekannter Herkunft], wuchs der Knabe wie ein verborgenes Bäumchen still heran; dann aber strahlte er wie eine junge Frühlingsblüthe, ausgestattet mit den schönsten Eigenschaften allmählich hervor.

Sein Vater entsandte ihn mit großer Heeresmacht in die Landschaft, die wir Deutschen Deleminzi, die Slaven aber Glomaci [Lommatzsch[WS 1]] nennen, und er kehrte, nachdem er sie mit Feuer und Schwert furchtbar heimgesucht hatte, als Sieger zurück. Wie jener Gau zu seinem Namen gekommen ist, will ich kurz erzählen.

3. Glomuzi ist eine Quelle, die nicht über zwei Meilen weit von der Elbe entfernt; diese bildet einen stehenden See[2], der, wie die Eingebornen behaupten und viele Augenzeugen bestätigen, häufig wunderbare Erscheinungen zeigt. So lange holder Friede die Bewohner des Landes beglückt und der Boden die Frucht nicht versagt, erfüllt er, bedeckt mit Weizen, Hafer und Eicheln, die Gemüther

  1. Dann leitet man es aus dem Griechischen ab, von dem Beiworte μέση, mesê, die mittlere. Die wirkliche Herkunft zeigt der slavische Name Mezibor = Mittenwalde.
  2. Der Poltzscher See unweit Lommatzsch in der jetzigen Amtshauptmannschaft Meißen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Lommatsch
Empfohlene Zitierweise:
Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/32&oldid=- (Version vom 24.5.2023)