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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Merseburg in der Nähe des Kaisers vorzügliche Gelegenheit, die zuverlässigsten Nachrichten für seine Chronik zu sammeln. Dazu kam, daß Thietmar mit der ganzen gelehrten Bildung der damaligen Zeit ausgestattet war, selbst in die verschiedensten Theile des deutschen Reiches als Begleiter des Kaisers gelangte, und ein offnes Auge nicht nur für die großen politischen Begebenheiten sondern auch für Land und Leute hatte.

Thietmar, am 25. Juli, wahrscheinlich des Jahres 975[1] zu Halberstadt[2] geboren, verbrachte seine ersten Jugendjahre unter der Obhut seiner Tante Emnilde, einer Nichte des Königs Heinrich I, zu Quedlinburg. Nachdem er hier in den Elementen der Wissenschaft unterrichtet worden war, wurde er dem Abte Nicdag zu St. Johannis (Kloster Bergen) bei Magdeburg und der dortigen Klosterschule zur weiteren Ausbildung anvertraut. Hier blieb er drei Jahre und legte den Grund zu einer für die damaligen Zeiten nicht gewöhnlichen Kenntniß der lateinischen Schriftsteller, aus denen er oft Stellen in den Text seines Werkes verwebt. Am 1. November 989 wurde er in Gegenwart seines Vaters in die Brüderschaft des hl. Mauritius in Magdeburg aufgenommen. Sein Vater überlebte aber diese Aufnahme nicht lange, er erkrankte bald darauf und starb am 15. März 990. Dieser Todesfall veranlaßte den Oheim Thietmars, Liuthar von Brandenburg, zu mannigfachen Bedrückungen der Familie Thietmars, indem er das wohl recht bedeutende Erbe[3] der Familie zu seinen Gunsten zu schmälern suchte. Im Jahre 994 verließ Thietmar auf kurze Zeit sein Kloster, um als Geisel für seine Oheime, die jüngeren Grafen von Stade, den Normannen ausgeliefert zu werden. Diese nämlich hatten die Grafen auf einem Feldzuge gefangen genommen und wollten sie nur gegen ein später zu zahlendes

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/21&oldid=- (Version vom 28.1.2023)
  1. Die Angaben Thietmars über sein Geburtsjahr sind unsicher, er scheint selbst das Jahr nicht genau gewußt zu haben. Vergl. meine Abhandlung in den „Forschungen zur deutschen Geschichte“ B. 14 S. 349 flgd.
  2. Sicher ist dies nicht, es findet sich nur die Notiz, daß Thietmar in Halberstadt getauft sei.
  3. Daß die Familie Thietmars sehr reich war, geht aus den in seiner Chronik erwähnten, ihm gehörigen Besitzungen Netmerslevo, Egisvilla, Haslinga u. s. w. hervor, dann auch aus den Unterhandlungen, welche Heinrich II. mit Thietmar in Bezug der Erhebung zum Bischof von Merseburg pflog.