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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


8. Als der König am Tage der Geburt St. Johannis des 1002 Täufers [24. Juni] bei der Insel Augia[1] verweilte, meldete ihm das schnelle und gar häufig unzuverlässige Gerücht, Herzog Heriman komme, um seinen Streit mit ihm durch eine Feldschlacht[2] zu enden. So ward Heinrich veranlaßt, von dort wegzuziehen und auf einem grünen weiten Felde des Herzogs Ankunft und das Kampfgericht zu erwarten. Nachdem er hier das Fest der Apostel [Juni 29] gefeiert und lange auf Entscheidung geharrt hatte, bekam er die sichere Kunde, daß der Herzog bei seinem Vorhaben weder beharren könne noch wolle. Da riethen ihm schlechte Rathgeber, sich mit Constanz für den Verlust von Straßburg zu entschädigen. Denn der Bischof dieser Stadt, Namens Lanbert, unterstützte sammt dem von Chur, Othelrich, den Herzog Heriman, nicht so sehr aus freiem Antriebe, als vielmehr wegen der Nähe des beiderseitigen Gebietes. Der König aber verschmähte, wie er denn voll Gottesfurcht und sicher war, Erwerbungen genug zu machen, die unfrommen Rathschläge derselben, und indem er nur die Güter des Herzogs plündernd heimsuchte, schickte er sich, zuletzt durch das Geschrei der Armen überwunden an, nach Franken zurückzugehen. Siehe, da ließ Graf Heinrich, Bertolds und meiner Muhme Sohn, der dem Könige bisher zur Erlangung der Krone treulich geholfen hatte, weil er wahrnahm, daß seines Herrn Neigung sich ein wenig von ihn abwandte, durch die ausgezeichnetsten [WS 1] Männer im königlichen Heere bei Heinrich um die Verleihung des ihm lange und fest versprochenen Herzogthums Baiern anhalten. Ihnen soll der König zur Antwort gegeben haben: „Wißt ihr denn nicht, daß das auf diesem Zuge gar nicht ausgeführt werden kann? daß die Baiern von Anfang an freie Macht gehabt haben, ihren Herzog zu wählen, und daß es sich nicht ziemt, sie so plötzlich herabzusetzen

  1. Augia oder Reichenau ist eine kleine Insel im westl. Theile des Bodensees, welcher der Untere- oder Zellersee genannt wird. Hier befand sich ein berühmtes Kloster.
  2. Thietmar braucht hier das Wort duellum und man hat deßhalb an einen Zweikampf gedacht; allein wie Giesebrecht richtig bemerkt hat, ist auch VII, 45 das Wort in ähnlicher Weise gebraucht, wo es ganz unzweifelhaft die Feldschlacht bedeutet, welche auch als Gottesgericht betrachtet wurde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ansgezeichnetsten
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/179&oldid=- (Version vom 28.9.2023)