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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


er den Erzbischof Gisiler an sie ab, der ihre Gesinnung erforschen 984. und, wenn es irgend möglich wäre, den Frieden bewirken sollte. Als dieser nun den versammelten Herren seine Sendung eröffnete, erklärten sie: Wenn Herzog Heinrich ihnen seinen Herrn und König ausliefern, und von seinen Besitzungen nichts als Merseburg, Walbizi[1] und Frasu[2], bis zu einem bestimmten Tage für sich behalten, und dies alles auf eine zuverlässige Weise eidlich erhärten wollte: dann solle es ihm frei stehen, mit sicherem Geleite von ihrer Seite das dichtbesetzte Land zu verlassen; wo nicht, so stehe ihm kein Ort offen, durch den er lebendig rück- oder vorwärts kommen könnte. Und nun, wozu soll ich darüber noch mehr Worte machen? Sie bekamen am andern Tage alles was sie wollten, und gestatteten ihm, indem sie selbst abzogen, sich nach Merseberg zu begeben, wo die Herzogin Gisla seit langer Zeit in trauriger Einsamkeit verweilte. Er aber erwog mit seinen Getreuen alles im Einzelnen, und indem er darauf erklärte, er wolle aus Furcht vor Gottes Zorn und zum Heile des Vaterlandes in Wahrheit seine Pläne aufgeben, dankte und lohnte er ihnen auf eine würdige Weise für ihre Hülfe und ihren guten Willen, und bat alle, sie möchten aus Liebe zu ihm an dem bestimmten Tage sich mit ihm zusammen einfinden. Die beiden Kaiserinnen, welche bis dahin zu Pavia in Demuth auf göttlichen Trost geharrt hatten, und sämmtliche Fürsten des Kaiser- und Königreichs kamen nach Rara, und der Herzog erfüllte treu sein Versprechen, indem er alle zum Reiche gehörigen gern von sich entließ; da erkannte Gott durch einen hellen am Tage vor aller Augen leuchtenden Stern Otto III. als den von ihm bestimmten Herrn und König an[3]. Alsbald stimmten alle, Weltliche wie Geistliche, wie aus einem Munde einen Gesang an zum Lobe Christi, und nun beugte sich der Sinn der bisher widerspenstigen, und die vordem in Zwietracht getheilten Schaaren vereinigten sich unter einem Herrn und Gebieter. Der König ward von seiner Mutter und Großmutter voll

  1. Walbeck, im jetzigen Kreise Gardelegen, Rgbz. Magdeburg.
  2. Frosa, im jetzigen Kreise Kalbe, Rgbz. Magdeburg.
  3. Vgl. Quedlinburger Annalen 984.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/115&oldid=- (Version vom 25.9.2023)