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Draus vermagst du, die du suchst, zu kennen;
Aber willst du, solch ein Weib zu suchen
Dich entschließen, mußt du erst in meine

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Hände schwören einen heiligen Eidschwur,

Nie die Aufgefundene selbst mit weltlich
Frechem Sinn zu berühren, nein − als Opfer
Jene widmend für den Geisterkönig,
Mir hieher sie zu führen, Sohn Abdalla’s!

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So der Derwisch. Was darauf erfolgte,

Leicht errätst du das, o Fürst des Glaubens!
Jene sechs Bildsäulen schleppt Alasnam
Gegen Cairo, nach der siebenten aber
Ward er mehr von Tag zu Tag begierig;

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Denn sie schien auf ewige Zeiten jedes

Mangels ihn zu überheben. Seinen
Wunderspiegel fängt er an zu prüfen,
Leistend erst den begehrten Schwur dem Derwisch.
Was geschehn, Kalif, du weißt es besser,

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Als ich selbst. Dein eigenes Kind, Amine,

Die du mir versagtest, hast du jenem
Abenteuerer gläubig aufgedrungen.
Wenn du liesest diese Zeilen, ist sie
Heimgefallen schon dem Geisterkönig.

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Lebe wohl, Kalif! Verbiete künftig

Deinen Schmeichlern, dich das Bild der Weisheit,
Dich den Vater alles Glücks zu nennen!

So des Mohren Brief. Der gute Harun
Steht zerschmettert, todesblaß; Verzweiflung

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Hebt das edle Gleichgewicht der Seele

Stürmisch auf, und jammernd ruft er also:
Harun Alraschid, du bist am Ziele
Deines Lebens, deiner stolzen Laufbahn,
Die so schön begann, so schrecklich endet.

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)