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Strickzeug in der Hand. Solch junges Ding wie du muß immer was zu thun haben, sonst kommt sie auf dumme Gedanken. Nicht wahr?“

     Agnes knickste wieder, und da sie sah, daß ihr der Alte weiter nichts zu sagen hatte, ging sie bis an das ihr bezeichnete Fenster, dran ein länglicher Eichentisch stand, und fing an zu stricken. Es war ein sehr langer Strumpf, brandrot und, nach seiner Schmalheit zu schließen, für sie selbst bestimmt.

     Sie war noch nicht lange bei der Arbeit, als Adelheid eintrat und auf ihren im Lehnstuhl sitzenden Bruder zuschritt. Bei der geringen Helle, die herrschte, traf sich’s, daß sie von dem Gast am Fenster nicht recht was wahrnahm. Erst als Engelke mit dem Frühstück kam und die plötzlich geöffnete Thür mehr Licht einfallen ließ, bemerkte sie das Kind und sagte: „Da sitzt ja wer. Wer ist denn das?“

     „Das ist Agnes, das Enkelkind von der Buschen.“

     Adelheid bewahrte mit Mühe Haltung. Als sie sich wieder zurechtgefunden, sagte sie: „So, Agnes. Das Kind von der Karline?“

     Dubslav nickte.

     „Das ist mir ja ’ne Überraschung. Und wo hast du sie denn, seit ich hier bin, versteckt gehalten? Ich habe sie ja die ganze Woche über noch nicht gesehn.“

     „Konntest du auch nicht, Adelheid; sie ist erst seit gestern Abend hier. Mit Engelke ging das nicht mehr, wenigstens nicht auf die Dauer. Er ist ja so alt wie ich. Und immer ’raus in der Nacht und ’rauf und ’runter und mich umdrehn und heben. Das konnt’ ich nich mehr mit ansehn.“

     „Und da hast du dir die Agnes kommen lassen? Die soll dich nun ’rumdrehn und heben? Das Kind, das Wurm. Haha. Was du dir doch alles für Geschichten machst.“

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_464.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)