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Herkömmliche. Der alte Stechlin fing an und der Pastor folgte. Wenigstens schien es mir so.“

     „Dann bin ich beruhigt, vorausgesetzt, daß Melusine über den neuen Schwiegervater ihren richtigen alten Vater nicht vergißt.“

     Sie ging auf ihn zu und küßte ihm die Hand.

     „Dann bin ich beruhigt,“ wiederholte der Alte. „Melusine gefällt fast immer. Aber manchem gefällt sie freilich auch nicht. Es giebt so viele Menschen, die haben einen natürlichen Haß gegen alles, was liebenswürdig ist, weil sie selber unliebenswürdig sind. Alle beschränkten und aufgesteiften Individuen, alle, die eine bornierte Vorstellung vom Christentum haben – das richtige sieht ganz anders aus – alle Pharisäer und Gernegroß, alle Selbstgerechten und Eiteln fühlen sich durch Personen wie Melusine gekränkt und verletzt, und wenn sich der alte Stechlin in Melusine verliebt hat, dann lieb’ ich ihn schon darum, denn er ist dann eben ein guter Mensch. Mehr brauch’ ich von ihm gar nicht zu wissen. Übrigens konnt’ es kaum anders sein. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aber auch umgekehrt: wenn ich den Apfel kenne, kenn’ ich auch den Stamm… Und wer war denn noch da? Ich meine, von Verwandtschaft?“

     „Nur noch Tante Adelheid von Kloster Wutz,“ sagte Armgard.

     „Das ist die Schwester des Alten?“

     „Ja, Papa. Ältere Schwester. Wohl um zehn Jahr älter und auch nur Halbschwester. Und eine Domina.“

     „Sehr fromm?“

     „Das wohl eigentlich nicht.“

     „Du bist so einsilbig. Sie scheint dir nicht recht gefallen zu haben.“

     Armgard schwieg.

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_378.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)