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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

(2. Fortsetzung.)

Nachdem man dann noch alles bis ins einzelne durchgesprochen hatte, mußte Herlett[1] dem jungen Siders immer wieder von dessen Eltern, der Schwester und dem neuen Geschäft erzählen und dabei oft auf Fragen Auskunft geben, die einen weniger phantasievollen und schnell überlegenden Kopf nur zu leicht in böse Verlegenheit hätten bringen können. Aber der Dicke zögerte auch nicht einen Augenblick mit der Antwort, wußte dabei geschickt stets aufs neue zu betonen, wie viel von dem schleunigsten Wiedergewinn der veruntreuten Gelder für die Firma in der Oxford-Street abhing.

Mit glänzenden, hoffnungsfrohen Augen hörte Harry zu und immer mehr befestigte sich in ihm der Entschluß, alles daran zu setzen, um den beiden Agenten ihren Raub unter Hintansetzung der eigenen Sicherheit wieder abzujagen.

Als er dann am nächsten Vormittag Lord Willerton sein Anliegen vortrug, fand er Worte einer so herzergreifenden Kindesliebe und ehrlicher Reue, daß der Gouverneur ihm fast gerührt versprach, ihn bereits am nächsten Tage mit den besten Empfehlungen an Lord Methuen zu der Westarmee zu schicken, wo er dann zweifellos Gelegenheit finden würde, auch seine Privatangelegenheit irgendwie zu fördern. Herlett und Elkins aber rieben sich schmunzelnd die Hände, als Harry Siders ihnen diese frohe Kunde überbrachte und zugleich versprach, umgehend nach Kapstadt zurückzukehren und sie in der kleinen Hafenschenke wieder aufzusuchen, sobald er sein Vorhaben glücklich ausgeführt hätte.

Ungefähr vier Wochen später sollte sich das Bild auf dem südafrikanischen Kriegsschauplatz plötzlich zugunsten der Engländer verschieben. Nach den ersten, so verlustreichen Niederlagen, die die Buren ihrem Gegner zum Erstaunen der ganzen Welt trotz ihrer wenig modernen Kriegsführung beibrachten, und besonders nach den unglücklichen Gefechten bei Ladysmith und am Modderfluß mußte die Regierung des vereinigten Königreiches einsehen, daß dieses Häuflein undisziplinierter Viehhirten, wie ein Parlamentsmitglied bei einer Sitzung des Unterhauses die Burenrepubliken genannt hatte, doch nicht so leicht über den Haufen zu werfen war. Die Truppennachschübe aus England und besonders aus Indien wurden jetzt möglichst beschleunigt, und anfangs Februar 1900 sah sich Lord Roberts, der Höchstkommandierende der britischen Armee, endlich in der Lage, seinen neuen Feldzugsplan energisch zu betreiben, der nichts anderes bezweckte, als durch einen Einbruch mit überlegenen Streitkräften in den Oranjefreistaat die Buren zu nötigen, die Belagerung von Ladysmith und Kimberley aufzugeben, ihre Truppen mehr zu konzentrieren und den den Engländern so unangenehmen Guerillakrieg (Kleinkrieg) zu beenden. Besonders viel lag aber Lord Roberts daran, die beiden genannten Städte, in denen überreiches Kriegsmaterial aller Art angehäuft war, schleunigst zu entsetzen, da man darauf rechnete, daß die feindlichen Munitionsvorräte ohne eine Ergänzung aus den heißumstrittenen Arsenalen dieser Plätze nicht lange mehr ausreichen würden. Zwar hatte General Methuen schon im Dezember 1899 verschiedene Vorstöße gemacht, um die Belagerer von Kimberley abzudrängen, doch diese Versuche waren sämtlich gescheitert und mußten dann nach der schweren Niederlage bei Magersfontein[2] ganz eingestellt werden.

Im englischen Hauptquartier hatte man hiernach nur die eine Sorge, daß Kimberley mit seinen provisorischen Befestigungen dem stürmischen Andrängen der Buren unter General de la Rey nicht weiter werde standhalten können und dann die ungeheure Menge von drei Millionen Gewehrpatronen, die dort aufgestapelt lag, den Feinden in die Hände geriete. Bereits mehrfach waren von Lord Methuen, der mit seiner Division Anfang Februar 1900 bei Lopetown am Oranje stand, Boten mit Depeschen


  1. Vorlage: Herleit
  2. Vorlage: Magersfuntein
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 1(Nr.19). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)