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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

„Master Landor,“ begann Herlett langsam, und er lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück, „ich habe mir heute mittags eine kleine Unwahrheit zu schulden kommen lassen. Denn ich kenne Sie, wenigstens von Ansehen, schon längere Zeit, weiß auch, daß … ja daß Sie … nicht Harry Landor, sondern Harry Siders heißen … Sie brauchen nicht zu erschrecken. Master Siders!“, lachte er gutmütig und drückte den jungen Mann, der schreckensbleich hochgefahren war, wieder auf seinen Sitz zurück.

„Wir sind keine Polizeispitzel, die nach Ihnen [suchen,][1] wenn mein Freund Elkins auch Angestellter eines Privatdetektivinstitutes ist. Andere Gründe haben mich veranlaßt, mich Ihnen zu nähern, – Gründe, die Sie bald begreifen werden. Vielleicht ist Ihnen bekannt, daß Ihr Vater sein Geschäft vor etwa einem Jahre mit der Firma Karst vereinigt hat, und daß jetzt in der Oxford-Street ein neuer Juwelierladen besteht, dessen Inhaber die Herren Siders u. Karst sind …?

Gut, dann wissen Sie wohl auch, daß Ihre Schwester Helena sich mit Herrn John Karst verlobt hat …?

Nun, ich sehe, Sie sind vollständig unterrichtet. Eigentlich überrascht mich das, da Sie selbst doch seit Ihrer Abreise vor fünf Jahren niemals etwas von sich hören ließen. Doch darauf kommt es bei unserer Angelegenheit auch nicht an, wenn ich Ihnen auch als ehrlicher Mensch, der an dem Wohlergehen Ihrer Eltern das wärmste Interesse nimmt, sagen muß, daß es ein großer Trost für die Ihrigen gewesen wäre, wenn Sie einmal irgend ein Lebenszeichen von sich gegeben hätten. Doch nun lassen wir das …

Die Firma Siders u. Karst hat nun bald nach Eröffnung des neuen Geschäftes einen der früheren Verkäufer von Karst namens Edward Brice mit bedeutenden Summen nach Südafrika geschickt, damit er bei den niedrigen Preisen der Diamanten hier in Kapstadt größere Einkäufe besorgen sollte. Ich weiß nicht, ob Sie vielleicht diesen Edward Brice von früher her kennen …?

Nicht?

Nun, das schadet auch nichts. Jedenfalls kehrte er nicht nach London zurück, hat auch nach seiner Abreise keinerlei Nachrichten mehr an seine Firma gesandt und ist mit dem ihm anvertrauten Gelde spurlos verschwunden. Alle sofort angestellten Nachforschungen, die allerdings durch den drohenden Ausbruch der Feindseligkeiten sehr beeinträchtigt wurden,[2] blieben erfolglos. Es konnte nur festgestellt werden, daß er tatsächlich hier in Kapstadt den Dampfer der Cunard-Linie verlassen hat. Aber jede weitere Spur fehlte. Nun war der Brüsseler Diamantenhandlung Lorrain mit ihrem Agenten van Straaten fast genau zu der gleichen Zeit ein ähnliches Mißgeschick passiert. Auch van Straaten verduftete mit einer ihm zu demselben Zwecke mitgegebenen Summe. Die Firma Lorraine hatte jedoch, da ihr Schaden sich auf fast fünfzigtausend Pfund belief, ihrem ungetreuen Agenten hier unsern Master Elkins auf die Fersen gehetzt, und dieser bekam nach wochenlangen Bemühungen heraus, daß die beiden Betrüger in Kimberley einen vorläufigen Unterschlupf gefunden hatten, wo man sie allerdings am wenigsten vermutete. Leider konnte ihre Verhaftung nicht erfolgen, da der Krieg inzwischen begann und die Minenstadt bald darauf von den Buren eingeschlossen wurde. Es ist nun aber bekannt, daß Brice und van Straaten das gestohlene Geld zum Teil zum Ankauf von Diamanten verwendet haben, wahrscheinlich um durch diese Spekulation ihren unredlichen Gewinn noch zu vergrößern, und daß sie sich noch in Kimberley befinden, auch dort zusammen in einem Hotel in der Viktoriastraße wohnen, – unter welchen Namen allerdings, das entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls werden sie vorläufig wohl kaum die Stadt verlassen können, finden sicher aber später leicht die Möglichkeit, mit ihrer Beute zu entkommen, wenn man sie nicht fortwährend im Auge behält.

So, Master Siders, nun kennen Sie das Vorspiel. Und jetzt zu mir und meinem Auftrag, der mich als Vertrauensmann der Firma Siders u. Karst vor etwa zwei Wochen hier nach Kapstadt geführt hat.

Wie Sie aus diesem Schreiben sehen,“ er reichte seinem Gegenüber mehrere Papiere hin, „bin ich ebenfalls Angestellter des Geschäftes, in dem Ihr Herr Vater Teilhaber ist, und habe die umfassendste von dem Bräutigam Ihrer Schwester unterzeichnete Vollmacht bekommen, um Edward Brice dingfest machen zu lassen, sobald ich seiner habhaft werde. Master Elkins hatte nämlich, als er bei seinen Recherchen nach van Straaten auch auf die Spur unseres ungetreuen Agenten gestoßen war, uns von seinen Ermittlungen telegraphisch Nachricht gegeben, worauf ich dann eben sofort als Vertreter von Siders u. Karst nach Kapstadt gesandt wurde, um mich hier mit Elkins ins Einvernehmen zu setzen und gemeinsam mit ihm gegen die Betrüger vorzugehen. Denn – so schwer es mir wird, Ihnen die unangenehme Eröffnung zu machen – Siders u. Karst stehen vor dem Bankerott, wenn ihnen die Edward Brice mitgegebenen Summen verloren gehen. Und um die Firma vor dem Ruin zu retten, ist es unbedingt nötig, daß bald etwas geschieht, das heißt,


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  2. Vorlage: wurdeni
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 3(Nr.18). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)