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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

Vielleicht entläßt man mir die Strafe, wenn ich ich meinem Vaterlande auf diese Weise einen Dienst leiste, vielleicht finde ich auch in Mylord später einen gütigen Fürsprecher. Ich will eben als ein ehrlicher Mann in meine Heimat und mein Elternhaus zurückkehren.“

Anerkennend, ja fast gütig nickte ihm Lord Willerton zu. „Das ist recht von Ihnen,“ sagte er wohlwollend. „Und was an mir liegt, soll auch geschehen, um Sie in Ihren guten Absichten zu unterstützen.“

Damit war Siders vorläufig entlassen. – –

Am Abend desselben Tages saßen in dem kleinen Hinterzimmer jener Schifferkneipe, die schräg gegenüber von dem Werbebüro lag, zwei Männer an dem mit rotbrauner Glanzleinwand überzogenen Tische. Der eine war niemand anderer als William Herlett, der frühere Hausdiener von Siders u. Karst, der seinerzeit dort mit Hilfe von gefälschten Zeugnissen eine Stellung gefunden hatte, und der zweite ein gewisser Fred Elkins, ein ebenso berüchtigtes Mitglied der Londoner Gaunerzunft. Beide hatten die englische Hauptstadt vor ungefähr drei Wochen verlassen und sich nach Südafrika eingeschifft, als sie einsehen mußten, daß ihr so fein eingefädelter Plan, die Juwelierfirma um ihre wertvollsten Waren zu berauben, an der scharfen Überwachung der Geschäftsräume[1] und den überall angebrachten elektrischen Alarmvorrichtungen scheitern würde, und sich ihnen außerdem durch den Brief, den Edward Brice an Siders u. Karst aus Kimberley geschrieben und von dessen Inhalt der so harmlos erscheinende Hausdiener heimlich Kenntnis genommen hatte, eine neue Aussicht zu einem ungefährlichen und gewinnbringenden Streiche zeigte.

Zudem erschien es den beiden von der Polizei stets mit größter „Aufmerksamkeit“ behandelten Genossen auch durchaus angebracht, einmal wieder den Schauplatz ihrer Tätigkeit zu wechseln, und so waren sie denn kurz entschlossen nach Kapstadt abgedampft, um von hier aus den schlau ausgeklügelten Privatfeldzug gegen die beiden in Kimberley eingeschlossenen Agenten der Firmen Siders u. Karst und Lorraine zu eröffnen.

Doch sie hatten es sich leider allzu einfach vorgestellt, in die belagerte Stadt hineinzukommen, in der sie dann Brice und van Straaten mit etwas energischer Nachhilfe von ihrem überflüssigen Diamantenreichtum zu befreien gedachten, hatten trotz aller Bestechungsversuche nicht einmal die Passierscheine erhalten, die für die Benutzung der nach dem Kriegsschauplatze führenden Eisenbahnlinien notwendig waren. Denn das englische Oberkommando fürchtete mit Recht, daß eine ganze Menge von Abenteurern und fremdländischen Offizieren nur auf eine Gelegenheit wartete, um sich für die Burenarmee anwerben zu lassen, und ging daher bei der Verteilung der Pässe äußerst vorsichtig um.

So saßen die beiden nun schon drei Wochen untätig in Kapstadt, und ihre Hoffnungen waren bereits auf den Nullpunkt herabgesunken, als Herlett vor drei Tagen in einer der übelberüchtigten Singspielhallen des Hafenviertels auf einen am Nebentische sitzenden ärmlich gekleideten Menschen aufmerksam wurde, dessen Gesicht er zuerst vergeblich irgendwo unterzubringen suchte. Schließlich war es ihm aber doch eingefallen, wo er das Bild dieses jungen Mannes mit den leicht schielenden, scheuen Augen bereits gesehen hatte. Und da war plötzlich in des abgefeimten Gauners schnell arbeitenden Kopfes ein anderer Plan aufgetaucht, wie er und sein Kollege Elkins ohne jede Gefahr wenigstens einen neuen Versuch machen könnten, die Diamanten und Barmittel der beiden Agenten in ihre Gewalt zu bekommen.

Der frühere Hausdiener besann sich nämlich sehr gut auf eine Photographie, die in dem Kontor von Siders u. Karst auf dem Schreibtisch des alten Siders gestanden hatte und die dessen Sohn Harry im dunklen Gesellschaftsanzuge darstellte, wußte auch, daß Harry Siders nach Verübung größerer Unterschlagungen flüchtig geworden und seit dieser Zeit verschollen war. Und auf die Kenntnis dieser Einzelheiten gestützt, wollte Herlett den unglücklichen jungen Mann für sein verbrecherisches Vorhaben ausnützen. Er war ihm heimlich nachgeschlichen, bis er schließlich die Gelegenheit für geeignet hielt, ihn anzusprechen.

Soeben erzählte Fred Elkins, wie er Harry Siders heute vormittags vor dem Werbebüro beobachtet und dann nachher im Stadtpark diese wertvolle Bekanntschaft gemacht hatte, berichtete auch genau, wie es ihm gelungen war, des jungen Menschen anfängliche Scheu durch einige Andeutungen über einen sehr gewinnbringenden leichten Nebenverdienst schnell zu beseitigen.

Und über Elkins glattes Fuchsgesicht flog ein gewisses zufriedenes Lächeln, als ihm Herlett jetzt noch mehrere Dokumente, die er am Nachmittag in stundenlanger, mühseliger Arbeit hergestellt hatte, zur Durchsicht hinreichte. Dann wollte er ihm noch einige Verhaltungsmaßregeln geben, wurde jedoch durch den Eintritt Harry Siders unterbrochen, der sich nach kurzer, vorsichtiger Umschau auf eine einladende Handbewegung des kleinen Dicken hin ebenfalls an dem Tische niederließ.


  1. Vorlage: Geschäfsräume
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 2(Nr.18). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)