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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

bot. Mitte September 1899 verließ Edward Brice denn auch London, wohlversehen mit Anweisungen auf die englische Bank in Kapstadt. Und nach seiner Rückkehr sollte auf Wunsch der beiden Elternpaare die Hochzeit ihrer Kinder gefeiert werden.

Doch die Ereignisse in Südafrika spitzten sich schneller zu einer Katastrophe zu, als man im Anfang des Herbstes erwarten konnte. Das Ultimatum der Burenrepubliken an England, in dem die sofortige Einstellung aller Rüstungen verlangt wurde, fand eine schroffe Ablehnung und die Folge war, daß die Verbündeten schon am 12. Oktober in Natal und Griqualand einmarschierten und nach den ersten Gefechten die Städte Kimberley, Mafeking und Ladysmith einschlossen.

Die an der Londoner Börse jetzt ausbrechende Panik teilte sich auch dem Hause Siders u. Karst mit, da nur zu sehr zu befürchten stand, daß Edward Brice, der sich bei Ausbruch der Feindseligkeiten gerade auf dem Kriegsschauplatz befand, etwas zustieß und die ihm mitgegebenen 30.000 Pfund Sterling (1 Pfund Sterling = 20 Mark) durch einen unglücklichen Zufall verloren gingen. Damit wäre dann auch der Ruin der Firma besiegelt gewesen, die sich durch die kostspielige Einrichtung des neuen Geschäfts und den für die so günstig erscheinende Einkaufsgelegenheit flüssig gemachten Betrag von allen Barmitteln entblößt hatte.

Schlimme Tage kamen für John Karst, Tage voll aufreibender Unruhe und bitterer Vorwürfe, da sein Schwiegervater ja nur auf seinen Vorschlag hin Teilhaber an den großangelegten Spekulationen geworden war und jetzt vielleicht durch ihn seine gesamten Ersparnisse verlor. Vergebens suchte Helena ihren Verlobten zu trösten, vergebens verschwendete sie ihre ermutigenden Worte und ihre innige Zärtlichkeit. Als dann endlich Mitte November eine Nachricht von Edward Brice eintraf, da übersetzte er atemlos den in Chiffern abgefaßten Brief und sank dann wie vernichtet in dem Schreibtischsessel zusammen, nachdem er die Übertragung zusammenhängend überflogen hatte.

Kimberley, den 19. 10. 1899.
An Siders u. Karst, Juweliere,
London,     
Oxford-Street 55.

Ob dieser Brief noch in Ihre Hände gelangen wird, ist bei den hier herrschenden Zuständen mehr wie zweifelhaft. Mein erstes Schreiben aus Kapstadt, das ich vor zwei Wochen an Sie absandte, sagte Ihnen, daß ich nach glücklicher Ankunft und Behebung unseres Guthabens von der Bank mich unverzüglich nach Kimberley aufmachen und, da die Verhältnisse sich hier immer drohender gestalteten, noch vor Beginn des ganz unvermeidlichen Feldzuges meine Geschäfte in aller Eile erledigen wollte. Ich konnte auch trotz der durch die Militärtransporte oft gestörten Bahnverbindung Kimberley zeitig genug erreichen, hatte in drei Tagen die Unterhandlungen mit dem Vorstande der Minengesellschaft abgeschlossen und zu äußerst niedrigen Preissätzen Steine im Werte von 28.000 Pfund Sterling eingehandelt, als mich die Nachricht von dem Einrücken der Buren in die Kapkolonie überraschte und zur schleunigen Abreise zwang. Doch die Bahnlinie über Colesberg nach Kapstadt war von den Verbündeten bereits gesperrt und ebenso erwies es sich als unmöglich, nach Westen zu an die Küste zu gelangen, so daß ich wieder nach Kimberley zurück mußte und von hier wahrscheinlich vorläufig auch kaum fortkommen werde, weil die Umzingelung der Stadt bereits vollendet ist und eine Belagerung droht, über deren Dauer und Ausgang sich heute noch nichts Bestimmtes sagen läßt.

Leider dürfte es in der schlecht verproviantierten Stadt bei der Menge der hier eingeschlossenen Menschen bald zu noch gefährlicheren Ausschreitungen kommen, als sie jetzt schon an der Tagesordnung sind, besonders, da die meisten der farbigen Minenarbeiter sich ebenfalls hierher geflüchtet haben und unserer kleinen Besatzung durch ihre Zügellosigkeit schon jetzt genug Schwierigkeiten machen. So mehren sich zum Beispiel die Einbrüche in die Nahrungsmittelläden von Tag zu Tag und Raubanfälle werden derartig häufig mit der größten Frechheit ausgeführt, daß hier niemand mehr ohne einen guten Revolver in der Tasche sich auf die Straße wagt. Auch in dem kleinen Hotel in der Viktoriastraße, dessen sämtliche Zimmer mit mehreren Personen belegt sind, ist man seines Lebens nicht sicher. Gestern nacht wurde in einem Zimmer des ersten Stockes ein reicher Amerikaner ermordet und seiner gesamten Barschaft beraubt. Anderen Gästen hat man aus ihren Koffern Brieftaschen und Kostbarkeiten entwendet. Von den Tätern ist natürlich keine Spur zu entdecken. Ich selbst und van Straaten, der Vertreter der Brüsseler Diamantenhandlung Lorraine, mit dem ich zusammenwohne, leben in beständiger Angst, daß nächstens die Reihe an uns kommt. Und unsere Furcht ist um so begründeter, als man hier genau weiß, zu welchem Zwecke wir in Kimberley weilen, und daher bei uns sicherlich ebenfalls beträchtliche Summen oder doch größere Mengen von Edelsteinen vermuten wird, zumal niemand in diesen unsicheren Zeiten der Stahlkammer der hiesigen Britannia-Bank Wertsachen

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 2(Nr.17). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)