Seite:Der Spion von Kimberley.pdf/15

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

er dabei, auf welche Weise er den beiden Schurken Herlett und Elkins in die Hände gefallen und von diesen für ihre Pläne ausgenutzt worden sei. De la Rey schenkte diesen Angaben zunächst keinen Glauben, bewies aber doch dadurch schon einen seltenen Edelmut, daß er einen Parlamentär mit einem Brief an Oberst Warren, den Kommandanten der belagerten Stadt, sandte und um Aufschluß darüber bat, ob man tatsächlich zwei Agenten ausländischer Firmen festgenommen habe und in welchem Zusammenhang deren Verhaftung mit der Person des englischen Spions stände. Oberst Warren bestätigte nun nicht nur die Angaben des jungen Mannes in allen Punkten, sondern schickte auch mich und van Straaten unter sicherem Geleit zu dem Burengeneral, damit wir persönlich dafür sorgen konnten, wieder in den Besitz unseres Geldes und der Edelsteine zu gelangen.

Denn ihm war es durch das Schreiben de la Reys klar geworden, daß wir ebenso wie dieser unglückliche Landor jenen Betrügern zum Opfer gefallen waren, und suchte nicht nur uns zu unserem Eigentum zu verhelfen, sondern auch womöglich den Spion vor dem sicheren Tode zu retten, indem er auf die Großmut des Burenführers rechnete. Und de la Reys ferneres Verhalten zeigte, daß Oberst Warren sich in ihm nicht getäuscht hatte. Zunächst wurden jenen Marketenderwagen einige Reiter nachgeschickt, die Herlett und Elkins zurückbrachten, ebenso auch die in einem der Wagen verborgenen Edelsteine und die Banknoten, die die Schurken aus dem ihnen von dem so schändlich betrogenen Landor angegebenen Versteck geholt hatten.

In dem nun folgenden Verhör gestanden die beiden zitternd ihre Schuld ein, gaben auch an, wie sie mit einem Wagentransport, der Proviant nach der Front bringen sollte, als Arbeiter verkleidet, aus Kapstadt herausgekommen waren und sich dann später auf gut Glück nach Kimberley aufgemacht und unterwegs den Markentender angetroffen hatten, der sie gegen geringen Lohn in seinen Dienst nahm. Jedenfalls ging aus ihren Angaben hervor, daß ihnen nachträglich ihr fein ersonnener Plan doch nicht zuverlässig genug erschienen war, und sie daher lieber selbst noch versuchen wollten, mich und van Straaten zu berauben.

Und zweifellos wären die beiden auch vor einem Morde nicht zurückgeschreckt, wenn sie uns wirklich hätten erreichen können.

Doch das Schicksal wollte es anders. Sie sahen Landor wieder und glaubten dann schon, nachdem sie ihn auf so hinterlistige Weise bei Major von Bieberstein angezeigt hatten, mit ihrem Raube in Sicherheit zu sein, als ihnen noch in der letzten Minute der Burengeneral einen Strich durch die Rechnung machte. Sie wurden vor dasselbe Kriegsgericht gestellt, das auch über des armen Spions Schicksal entscheiden sollte und schon nach kurzer Verhandlung zum Tode durch den Strang verurteilt, während man den Spion selbst auf seine ehrenwörtliche Zusage, sofort Afrika verlassen zu wollen, und unter Berücksichtigung der Beweggründe seiner Handlungsweise freisprach.“

„Und Landor selbst,“ fuhr Edward Brice nach kurzer Pause fort, „ist mit mir zusammen hier eingetroffen, hofft, daß die, die er einst so schwer betrübt hat, ihm jetzt verzeihen werden, wo er durch die Befürwortung Lord Willertons und General Methuens auf eine milde Strafe, wenn nicht völlige Straflosigkeit rechnen kann.“

Der alte Siders war plötzlich aufgesprungen, und auf seinem ehrwürdigen Gesicht lag ein Schimmer freudigen Hoffens, als er jetzt Brice stockend fragte:

„Sagen Sie mir, wo mein Sohn ist …! Er soll kommen! Alles soll vergeben und vergessen sein – alles!“

Da riß John Karst glücklich lachend die Tür zum Nebenzimmer auf, und ein blasser, schlanker Mann warf sich seiner Mutter weinend zu Füßen, die zitternd vor Freude in ihrem Sessel saß und mit bebender Hand jetzt liebevoll über das Haar dessen strich, der vor fünf Jahren aus London geflohen war und den Seinen jetzt als ein Reumütiger, Gebesserter wiedergegeben wurde.

Die Firma Siders u. Karst in der Oxford-Street in London gehört heute zu den bedeutendsten Diamantenhandlungen des Inselreiches.

Und Harry, dessen Straftat, wie es sich nun bei der Verhandlung herausstellte, bereits seit mehreren Monaten verjährt war, und der daher auch ohne Fürsprache seiner Gönner freikam, steht dem umfangreichen Unternehmen zusammen mit seinem Schwager John vor, und die Zeit ist auch für ihn das beste Heilmittel gewesen.

Die trüben Erinnerungen an jene Tage, wo er, ein Ausgestoßener der menschlichen Gesellschaft, als Spion dem englischen Oberkommando diente, liegen nur noch wie ein wüster Traum hinter ihm.

Eines aber hat Harry Siders nie vergessen: Das ist die Dankbarkeit gegen jenen edelmütigen Burengeneral, der durch sein Verhalten so recht bewiesen hatte, wie hoch er opferwillige Kindesliebe einzuschätzen wußte.


Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 3(Nr.20). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)