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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel … Jetzt, wußte er, wer ihn verraten hatte, nur verraten haben konnte, jetzt durchschaute er dieses ganze Ränkespiel, mit dem man ihm, dem blind Vertrauenden, umgarnt hatte …! Wer kannte denn sein Geheimnis?

Nur wenige englische Generale und Stabsoffiziere, die außerhalb jedes Verdachtes standen, und … jene Elenden, die nun mit ihrer Beute davonfuhren, hinaus in den lachenden Sonnenschein, während er, ein armer Betrogener, dem Tode entgegenging …! Ein Wutschrei entrang sich seiner Kehle, in ohnmächtigem Grimm zerrte er an seinen Fesseln … aber schon bogen die Wagen in einen Nebenweg ein und verschwanden hinter den Trümmern einer zusammengeschossenen Farm.

Genau 48 Stunden später, am Morgen des 14. Februars, überraschte eine Kabeldepesche die Londoner mit der Nachricht, daß der Vorstoß Lord Roberts in den Oranje-Freistaat als ersten bedeutenden Erfolg der Stadt Kimberley die endliche Befreiung von der drückenden Belagerung gebracht hatte. Aber trotz dieser Botschaft blieb die Stirn John Karsts noch immer umdüstert. Bevor er nicht bestimmt wußte, daß Edward Brice glücklich die Belagerung überstanden und mit dem kostbaren Besitz den Kriegsschauplatz verlassen hatte, konnte er an der hoffnungsvollen Freude seiner Braut nicht teilnehmen.

Als dann aber nach weiteren acht Tagen ein Telegramm des Agenten aus Kapstadt eintraf, in dem dieser mit wenigen Worten seine baldige Ankunft in London ankündigte und andeutete, daß er seinen Auftrag glücklich ausgeführt habe, da atmete John Karst nach den Wochen banger Sorge endlich auf und gewann seine frühere Heiterkeit bald wieder. Und in die Häuser Karst u. Siders zog aufs neue das Vertrauen auf eine Zukunft ein und ließ die die beiden Elternpaare frohen Herzens die Vorbereitungen zu der Hochzeit ihrer Kinder treffen.

Mitte März betrat dann eines Vormittags Edward Brice frisch und gesund das Kontor der Firma in der Oxford-Street und meldete sich bei dem allein anwesenden John zurück, übergab ihm auch die wohlverpackten[1] Diamanten und den Rest des Geldes. Immer wieder schüttelte der junge Karst die Hand des getreuen Angestellten. Denn mit dessen Heimkehr war nicht nur der Fortbestand des Geschäftes gesichert, sondern Infolge des billigen Einkaufes der Edelsteine auch ein bedeutender Gewinn erzielt, der die Kassen der Firma Siders u. Karst auf Jahre hinaus mit einem Kapital für die Zeiten der Not füllte.

Doch Brice hatte noch eine andere Mission zu erledigen, und vertrauensvoll wandte er sich an seinen jungen Chef und bat ihn um seine Vermittlung in einer ernsten Angelegenheit, die zu seiner glücklichen Rückkehr in engen Beziehungen stand.

Überrascht, fast ungläubig hörte John zu. Was er da hörte, klang ihm wie ein abenteuerliches Märchen. Aber freudig versprach er dem Agenten seine Unterstützung, und die beiden Männer verabredeten genau, in welcher Weise man der Familie Siders das beibringen wollte, was in den letzten Monaten in Südafrika geschehen und für sie von so großer Bedeutung war.

Am folgenden Tage wurde dann in der Wohnung von Johns Eltern zur Feier der Heimkehr des Agenten eine kleine Feier veranstaltet, zu der aber außer den nächsten Verwandten nur Brice geladen war. Bevor man zu Tisch ging, versammelte sich die Familie im Salon, und Edward Brice mußte hier als Einleitung zu dem folgenden Essen zunächst seine Erlebnisse in Kimberley schildern. Über die ersten Wochen der Belagerung faßte er sich sehr kurz, begann aber dann ausführlicher über jene Zeit zu berichten, die auf seine und van Straatens Verhaftung gefolgt war.

Auch hier bemerkte man das ungläubige Staunen in den Mienen der Anwesenden, das sich steigerte, als Brice plötzlich den Schauplatz seiner Erzählung verlegte und nun die Schicksale eines jungen Mannes namens Landor berichtete, der sich in Kapstadt als Spion für die englische Armee hatte anwerben lassen, um durch diese Tätigkeit die Straflosigkeit oder eine mildere Verurteilung für eine frühere Verfehlung zu erlangen und auf dessen Veranlassung van Straaten und er selbst dann in der Stadt eingesperrt und ihnen die Diamanten und Barmittel abgenommen wurden.

Atemlos lauschte man, und als Brice jetzt die Vorfälle in dem Burenlager und die Überführung dieses Spions erwähnte, der die Depeschen in der Höhlung seines Glasauges verborgen hatte, da hob der alte Siders plötzlich abwehrend die Hände und wollte den Erzähler unterbrechen. Doch hastig fuhr dieser fort, indem er John Karst einen vielsagenden Blick zuwarf:

„Der Gefangene, vor General de la Rey geführt, gestand ohne Zögern ein, daß er seit Wochen als Spion tätig gewesen sei, nannte aber dem Burenführer auch kurz die Gründe, weshalb er sich zu diesem Gewerbe hergegeben habe, da er den ihm nahestehenden Inhabern der Firma Siders u. Karst in London die Diamanten retten und das Geschäft so vor dem Ruin bewahren wollte. Ebenso erwähnte


  1. Vorlage: wohlverpakten
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 2(Nr.20). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)