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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

(Schluß)

„Also hat General de la Rey doch recht behalten!“ begann der Major dann schneidenden Tones. „Als Spion hast du dich hier eingeschlichen, Bursche, – gesteh’s nur! Leugnen hilft jetzt nichts mehr. Irgend jemand hat dich erkannt und schriftlich angezeigt. Und wir werden ja bald sehen, ob der unbekannte Briefschreiber auch die Wahrheit spricht. Hinaus mit dem falschen Auge, Bursche, hinaus damit!“

Siders war halb bewußtlos zurückgetaumelt, wollte sprechen, aber nur stammelnde Laute kamen über seine bebenden Lippen. Er wußte – das wart das Ende! Ehe die Sonne unterging, würde er irgendwo an einer offenen Grube knieen – ein kurzes Kommando, sechs wohlgezielte Kugeln, und … ade Heimat, Elternhaus … – Aber dann dachte er daran, wofür er starb, daß er den Seinen ein Vermögen gerettet hatte, da ja der Siders und Karst gehörige Anteil an den Diamanten und Banknoten von Herlett oder Elkins richtig an der Oxford-Street abgeliefert werden würde. Und dieser Gedanke richtete ihn wieder auf. Er ahnte ja nicht, wer ihm diesen teuflischen Streich gespielt und den Brief an den Major geschickt hatte.

„Bursche, wird’s bald?“ fuhr in dieser jetz auf neue an. „Oder soll ich vielleicht gar nachhelfen …!?“

Willenlos gehorchte nun Harry Siders. Ein Druck mit dem Finger und das Glasauge fiel aus der Höhlung heraus in seine flache Hand. Schnell faßte der Major zu, trat damit an das niedrige Fenster und ein zischender Wutlaut entfuhr ihm, als er in der Höhlung des Auges, mit Wachs befestigt, einen ganz dünnen, aufgerollten Streifen erblickte, dessen Bedeutung er sehr wohl kannte.

„Es sind Films“, sagte er erklärend zu seinem Adjutanten, der neugierig näher getreten war. „Und zweifellos hat der Schuft auch auf dieselbe Weise Nachrichten nach der Stadt hineinbefördert! Er befand sich ja ebenfalls unter den Gefangenen, die wir vorgestern austauschten, und hatte während seines zweitägigen Aufenthaltes in Kimberley die beste Gelegenheit, dem Oberst Warren seine Nachrichten zu übermitteln.“

„Da hätten wir allerdings lange suchen können!“ fügte er ingrimmig hinzu. „Denn wer kommt gleich auf diesen geradezu raffinierten Gedanken, daß ein Mensch sein Glasauge als Versteck für Depeschen benutzen wird, wer denkt überhaupt daran, daß ein schieläugiger Kerl ein so tadellos nachgemachtes Stück Porzellan anstatt eines natürlichen Sehorganes im Kopfe stecken hat! Kann mir denken, wie gelegen der den Engländern gekommen ist. Und wer weiß, wie viel er uns nicht schon geschadet hat!“

„Nun, mein Bursche, deine Rolle ist jetzt jedenfalls ausgespielt, und dein Handwerk werden wir dir sehr bald so gründlich legen, daß du diesen famosen Depeschenbehälter zur Verschönerung deines Äußeren nicht mehr gebrauchst!“

„Richthofen“, wandte er sich dann an seinen Adjutanten, „sorgen Sie dafür, daß der Bursche unter sicherer Bedeckung sofort General de la Rey zugeführt wird, und nehmen sie auch das Corpus delikti mit. Hier ist auch der Brief, durch den wir endlich diesem Herrn hinter seine Schliche gekommen sind.“

Und als gerade Harry Siders mit gefesselten Händen zwischen zwei Reitern, die die Büchse schußfertig in der Hand hielten, nach dem Hauptquartier des Burengenerals gebracht wurde, ratterten die beiden Marketenderwagen an dem düsteren Trupp der Richtung nach Nordwesten vorüber, und von dem Kutschersitze des einen herab blickten Herlett und Elkins ihr Opfer mit einem so teuflischem Grinsen an, daß es dem unglücklichen Harry Siders

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 1(Nr.20). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)