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Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.)

ausgeführten nächtlichen Ausfall der Besatzung, der sich nach Süden hin richtete, wurden alle verfügbaren Streitkräfte in das Gefecht gezogen, und bei der Verteidigung eines Hügels, auf den es die Engländer besonders abgesehen hatten, weil dort mehrere Geschütze in Stellung gebracht waren, wollte es das Schicksal, daß ein größerer Trupp Buren, darunter auch Siders, abgeschnitten und gefangen genommen wurde. Schon am Morgen gelang es diesem dann, sich mit einem der Unteroffiziere, die mit der Bewachung der Gefangenen betraut waren, heimlich zu verständigen und ihm genaue Verhaltungsmaßregeln zu geben. So konnte er dann ganz unauffällig von seinen Schicksalsgenossen getrennt und Oberst Warren zugeführt werden, der sofort die Depeschen vergrößern und die Antwort anfertigen ließ.

Nach Eingang dieser hoffnungsvollen Nachricht war der Oberst auch gern bereit, dem Überbringer seine Hilfe angedeihen zu lassen, zumal General Methuen in seinem Schreiben ebenfalls kurz auf die Privatangelegenheit seines Spions hingewiesen hatte.

Mittags wurden Brice und van Straaten dann in dem Hotel in der Viktoriastraße verhaftet und trotz ihres lebhaften Widerspruches bis auf weiteres in das Polizeigefängnis abgeführt. Bei ihnen aber fand man, wie Siders vorher angegeben hatte, eine Summe von mehreren Tausend Pfund in Banknoten und, eingeschnallt in breite Ledergürtel, eine Menge von Edelsteinen in allen Größen. Nachdem ein genaues Protokoll und Verzeichnis über die einzelnen Gegenstände aufgenommen war, die man den beiden Agenten abgenommen hatte, wurden das Geld und die Diamanten Siders ohne weiteres ausgeliefert und er selbst wieder, wie er mit Oberst Warren verabredet hatte, zu seinen Gefährten in das Militärarresthaus gebracht. Und als zwei Tage später ein Austausch von Gefangenen stattfand, gelangte Harry mit den übrigen unbehelligt in das Lager des Majors Bieberstein zurück.

Damit war der schwierigste Teil von Siders Aufgabe erledigt. Denn eine Gelegenheit, sich bei einem der regelmäßig stattfindenden Erkundigungsritte davonzustehlen und nach Lopetown, dem Hauptquartier General Methuens, zurückzukehren, bot sich ihm fast jeden Tag. Er hatte sich auch bereits in einem Versteck außerhalb des Lagers eine größere Menge Proviant gesammelt, den er für den tagelangen Weg durch die jetzt von Ansiedlern völlig verlassene Gegend notwendig gebrauchte, dort auch vorläufig die Banknoten und die Edelsteine verborgen. Da trat ein Zwischenfall ein, der ihm endlich die Augen darüber öffnete, wer seine besorgten Freunde Herlett und Elkins eigentlich waren.

Am Abend des 12. Februars – ein Datum, das Harry Siders sein lebenlang nicht vergaß – trafen zwei große mit Ochsen bespannte Marketenderwagen im Lager des Majors von Bieberstein ein, die einem Buren gehörten und von den Leuten des Freikorps mit großem Jubel begrüßt wurden, da man während der monatelangen Belagerung die Vorräte an Spirituosen, Kaffee und Tee vollkommen aufgezehrt hatte.

Als Siders sich in der dienstfreien Zeit dann gleichfalls zu dem schnell errichteten Verkaufsstand hindrängte, um sich den lang entbehrten Genuß eines Schluckes gebrannten Wassers zu gönnen, erkannte er zu seinem Erstaunen in den beiden Gehilfen des Marketenders den angeblichen Vertrauensmann der Firma Siders u. Karst und den Detektiv Elkins wieder, die bei dem Scheine mehrerer flackernden Öllampen eifrig ihres Amtes walteten und von Siders zunächst gar keine Notiz nahmen, trotzdem ein warnender Blick Herletts dem jungen Manne gesagt hatte, daß er sehr wohl erkannt worden sei. Schließlich konnte der Dicke dann aber doch Siders unbeachtet eine schnelle Frage zuflüstern, die dieser nur durch ein freudiges Kopfnicken beantwortete.

„Und wo haben Sie die Sachen aufbewahrt? Sie tragen die Banknoten und die Diamanten doch nicht etwa bei sich?“ forschte Herlett ängstlich weiter, indem er den jungen Reiter noch mehr in die Dunkelheit hinter den Wagen zog und dann scheinbar eifrig einen Krahn in das Spundloch eines frischen Schnapsfäßchens hineintrieb. Mit wenigen Worten bezeichnete Harry ihm ganz arglos die Stelle, wo er die Kostbarkeiten und den Proviant unter Felsgeröll verborgen hatte, worauf Herlett ihm kurz ihr plötzliches Erscheinen aufklärte. Sie besprachen dann noch alle Einzelheiten der gemeinsamen Flucht, die sie bereits in der nächsten Nacht ausführen wollten, und trennten sich wieder.

Kaum graute jedoch der Morgen, als Harry unsanft aus dem Schlaf gerüttelt wurde. Vor ihm stand der Adjutant des Majors mit mehreren Leuten und befahl ihm barsch, sofort mitzukommen, ohne Siders auf seine erstaunten Fragen auch nur ein einziges Wort zu antworten.

Der Führer des Freikorps hatte sein Quartier in einem kleinen Bahnwärterhäuschen aufgeschlagen, und in dem engen Raume fand dann ein Verhör statt, das den bedauernswerten jungen Mann von der freudigsten Hoffnung in die trostloseste Verzweiflung stürzen sollte. Kaum war er in das kleine

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Spion von Kimberley (Die Südmark. Nr. 17–20.). Vereinsbuchdruckerei „Celeja“ in Cilli, Cilli 1914, Seite 3(Nr.19). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Spion_von_Kimberley.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)