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Walther Kabel: Der Pranger im Theater (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11)

London freute sich schon auf seine Verurteilung – leider zu früh. Advokatenkünste und ein Meineid, den er kaltblütig schwor, retteten den Wucherer vor dem Pranger. Am Abend des Verhandlungstages erschien Wingate sogar mit bodenloser Frechheit in einer der vordersten Logen des James Foote-Theaters, ohne sich um die verächtlichen Blicke und die Stichelreden des Publikums auch nur im geringsten zu kümmern.

James Foote, bekanntlich einer der berühmtesten englischen Schauspieler, hatte Wingate von der Bühne aus jedoch kaum erblickt, als er sich die Nase zuhielt und seinen Mitspieler fragte: „Haben Sie nicht eine Prise bei sich?“

Betroffen sieht ihn der Schauspieler an.

„Schade, schade!“ extemporiert Foote weiter. „Ich hätte doch einen falschen Eid darauf geschworen, daß es hier furchtbar nach faulen Eiern riecht, gerade so, als ob hier einer im Theater ist, der eben vom Pranger kommt und mit diesen stinkenden Wurfgeschossen ordentlich bombardiert worden ist.“

Bei diesen nicht mißzuverstehenden Andeutungen sah Foote den Wucherer in der Loge mit herausfordernden Blicken an, und der größte Teil der Zuschauer verstand diese Improvisation sofort. Es entstand ein furchtbarer Tumult, und Wingate konnte sich vor der Wut des Publikums kaum aus dem Theater retten. Wenige Tage nach diesem Vorfall war er für immer aus London verschwunden.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Pranger im Theater (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 11). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1910, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Pranger_im_Theater.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)