Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Der Pranger im Theater
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1910, Elfter Band, Seite 232–233
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Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[232] Der Pranger im Theater. – Das frühere englische Strafgesetzbuch kannte für gewisse Vergehen die Prangerstrafe, die öffentliche Zurschaustellung eines Missetäters, der man eine ganz bedeutende erzieherische Wirkung beimaß. Diese Strafe wurde besonders häufig bei Wucherern und Betrügern angewandt.

Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts lebte nun in London ein Mann namens Wingate, der allgemein als gefährlicher, aber ebenso vorsichtiger Halsabschneider verhaßt war. Endlich gelang es, ihn vor den Strafrichter zu bringen. Ganz [233] London freute sich schon auf seine Verurteilung – leider zu früh. Advokatenkünste und ein Meineid, den er kaltblütig schwor, retteten den Wucherer vor dem Pranger. Am Abend des Verhandlungstages erschien Wingate sogar mit bodenloser Frechheit in einer der vordersten Logen des James Foote-Theaters, ohne sich um die verächtlichen Blicke und die Stichelreden des Publikums auch nur im geringsten zu kümmern.

James Foote, bekanntlich einer der berühmtesten englischen Schauspieler, hatte Wingate von der Bühne aus jedoch kaum erblickt, als er sich die Nase zuhielt und seinen Mitspieler fragte: „Haben Sie nicht eine Prise bei sich?“

Betroffen sieht ihn der Schauspieler an.

„Schade, schade!“ extemporiert Foote weiter. „Ich hätte doch einen falschen Eid darauf geschworen, daß es hier furchtbar nach faulen Eiern riecht, gerade so, als ob hier einer im Theater ist, der eben vom Pranger kommt und mit diesen stinkenden Wurfgeschossen ordentlich bombardiert worden ist.“

Bei diesen nicht mißzuverstehenden Andeutungen sah Foote den Wucherer in der Loge mit herausfordernden Blicken an, und der größte Teil der Zuschauer verstand diese Improvisation sofort. Es entstand ein furchtbarer Tumult, und Wingate konnte sich vor der Wut des Publikums kaum aus dem Theater retten. Wenige Tage nach diesem Vorfall war er für immer aus London verschwunden.

W. K.