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vor der Thür des Waarenhauses saßen, Tom denselben Weg daher geschlendert kam; er trug dies Mal einen ganzen Pack zusammengebundener getrockneter Felle, sowohl von Hirschen als Ottern und sah ordentlich und ehrbar aus; doch verfinsterte sich sein Gesicht ein wenig, als er den jungen Mann erblickte; er mochte wohl an den Schuß denken; die beiden Weißen begrüßten ihn aber herzlich und er lehnte, wie das vorige Mal, seine Flinte auswendig an’s Haus und ging nach kurzem Gespräch mit dem Alten in den Laden, dort den neuen Handel abzuschließen.

Er schien die Truthühner, die ebenfalls wieder auf dem Platze umherliefen, gar nicht zu bemerken; kaum waren aber die Beiden durch die Ladenthür verschwunden, als der Zurückgebliebene von seinem Sitze aufsprang und in wenigen Secunden mit dem Kretzer aus dem dicht danebenstehenden Wohnhaus zurückkam.

Leise schlich er, wie damals, an die Flinte, zog schnell die Ladung Schrot heraus, verbarg den Kretzer und setzte sich dann wieder ruhig auf seinen Stuhl, das Ende des Handels und das Erscheinen des Indianers zu erwarten.

Sie ließen nicht lange auf sich warten; Tom hatte heute wenig Waaren gebraucht und sich fast Alles in baarem Gelde bezahlen lassen, nahm nun seine Flinte und sagte den Beiden ein Lebewohl.

„Holla, Tom!“ rief ihm der junge Mann nach, „willst Du denn heute Dein Glück nicht wieder mit einem Schuß versuchen?“

„Tom hat nicht so viele Dollar!“ entgegnete kopfschüttelnd der Wilde, indem er stehen blieb und nach Jenem zurücksah; „die weißen Männer versprechen Feuerwasser,“ fuhr er ernsthaft fort, „da schießt Indianer Alles, was vorkommt – Großes und Kleines, Männchen und Weibchen; Indianer liebt Feuerwasser; vor fünf Schneeen waren Ottern viel da – o sehr viel – große Ottern und fett – jetzt rothe Mann kann fünf Fallen stellen und fängt eine. – Ottern gehn, wo weiße Gesicht kommt – Indianer auch! – Indianer ist arm!“

„Bah, bah!“ rief der Jüngere lachend, „Du hast wohl selbst heute Morgen wieder einen tüchtigen Schluck Whiskey genommen.“

„Nein,“ sagte Tom, die Hand auf die Brust legend, „nicht angerührt – nicht mit Fuß!“

„Du schwankst aber doch so!“ fuhr Jener, um ihn zu reizen, lachend fort.

„Ich schwanken?“ sagte Tom entrüstet; „gut, ich will schießen, will weißem Gesicht zeigen, ich nicht schwanken.“

„Gut! hier ist mein Dollar,“ sagte der Weiße, das Geld auf einen umgehauenen Baumstamm legend.

„Und hier ist meiner,“ sagte Tom; „nicht viel Geld ein Dollar – mir gleichgiltig.“

„Oho, wenn Du so mit Geld prahlst, hier sind fünf Dollar, anstatt einer; setzest Du dagegen?“

„Daß ich kein Truthahn treffe?“ frug vorsichtig der Indianer.

„Gewiß,“ war die Antwort, „triffst Du Einen oder mehrere, so habe ich verloren.“

„Gut!“ entgegnete Tom und langte, ohne weiter ein Wort zu verlieren, noch vier andere Dollar, die er eben für seine Felle erhalten hatte, aus der Kugeltasche und legte sie zu den anderen, nahm dann eine Handvoll Mais aus einem dicht dabeistehenden Futtertrog und warf es den Truthühnern hin, trat etwa zwanzig Schritt zurück, zog den Hahn auf, zielte und beim Schuß – flatterten vier, zum Tode getroffen, am Boden und lagen nach wenigen Secunden still und leblos.

Mit weitgeöffnetem Munde starrten die beiden Weißen auf das Verderben hin, das Tom’s Flinte nicht allein an ihren Truthühnern, sondern auch in ihrer Börse angerichtet hatte; der aber, ohne weiter eine Miene zu verziehen, ging zum Baumstamm und schob ruhig und lautlos die zehn Dollar, einen nach dem andern, in seine Kugeltasche, lud dann seine Flinte wieder und warf sie auf die Schulter; als er sich aber zum Fortgehen rüstete, wandte er sich noch ein Mal zu den Männern und sagte freundlich: „Setze den Fall, Ihr wolltet schießen noch ein Mal – heut in acht Tage ich wieder hier – aber,“ fuhr er vertraulich fort, als er sich dem jungen Manne etwas mehr näherte – „wenn ich komme zu weiß Gesicht, ich immer zwei Schuß Schrot in der Flinte – setze den Fall, weißer Mann zieht einen heraus – gut – noch genug drinn vor anderen Schuß! Good bye!

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Friedrich Gerstäcker: Der Osage. Baumgärtner, Leipzig 1844, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Osage-Gerstaecker-1844.djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)