Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. | |
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„Sie nennen gleich den Grund mit“, sagte der Fremde mit einer leichten Handbewegung. „Wenn Sie wirklich nicht im Stand sind es länger zu ertragen, so ist es Ihnen doch eine Last und was sollte mich da abhalten Ihnen zu nützen? Weil die Handlung vielleicht ungesetzlich ist? Die Sache würde komisch sein, wenn sie nicht auch ihre ernste Seite hätte – aber entschuldigen Sie“, unterbrach er sich selber, „wenn ich Sie durch mein Geschwätz so lange aufhalte. Der Ast da ist Ihnen ein wenig zu hoch, ich habe aber, als ich hierher kam, dort drüben eine kleine Leiter stehen sehen, die der Gärtner wahrscheinlich zu irgend einem Zweck benutzt; ich glaube, daß dieselbe Ihrem Zweck vollständig genügen wird und wenn Sie erlauben hole ich Ihnen dieselbe – ich bin den Augenblick wieder hier.” – Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten ging er vielleicht zwanzig Schritt unter den Bäumen hin und kehrte wirklich gleich darauf mit einer kleinen Leiter zurück, die er neben dem Unglücklichen mit der unbefangensten Miene von der Welt an den Baum lehnte.
Der Selbstmörder hatte ihn noch immer dabei im Verdacht, daß Alles dieses nur ein Vorwand sei, um an ihn hinan zu kommen, damit er plötzlich auf ihn springen und ihn an der That verhindern könne; er trat auch ein paar Schritte von dem Mann zurück und hielt das gezückte Messer noch immer in der Hand – fest entschlossen keiner menschlichen Gewalt zu weichen. Der Fremde aber achtete nicht einmal auf die drohende Bewegung; er nahm in der That gar keine Notiz von dem jungen Mann und als er die Leiter so gestellt hatte, daß man jetzt von ihm aus bequem den Ast erreichen konnte, wandte er sich wieder ab, ging zu seiner alten Stelle und sagte dann ruhig:
„So, lieber Freund, jetzt sind Sie nicht im Geringsten mehr gehindert; wenn Sie die Schlinge gemacht und um den Hals gelegt haben, brauchen Sie nur die Leiter mit den Füßen umzustoßen und das Resultat wird ein vollständig befriedigendes sein. – Bitte, geniren Sie sich auch nicht etwa meinetwegen; ich bin schon sehr häufig Zeuge solcher oder ähnlicher Handlungen gewesen und vollständig daran gewöhnt.“
Der junge Mensch war, als er diese Stelle betrat, fest entschlossen seinem wahrscheinlich verfehlten Leben ein Ende zu machen und er hätte auch alle Schwierigkeiten, die sich ihm da in den Weg stellen konnten, in seiner, doch nun einmal verzweifelten Stimmung überwunden. Dieses Entgegenkommen eines Fremden aber, diese wahrhaft entsetzliche Gefälligkeit, mit der er die Hand lieh, einen Mitmenschen zum Selbstmörder zu machen, ja das kalte ironische Lächeln, das auf seinen Zügen lag, strich ihm doch wie ein eisiger Reif über die Seele und starr den Blick auf ihn geheftet rief er:
„Mensch oder Teufel, der Du bist – hebe Dich weg von mir! – Eine eigene Angst überkommt mich in Deiner Nähe – fort und laß mich allein sterben.“
Ein Lächeln flog über die Züge des Fremden.
„Es ist sehr freundlich von Ihnen“, sagte er, „daß Sie mich mit
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/4&oldid=- (Version vom 14.2.2021)