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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte.

„Erinnern sich nicht?“ lächelte der Fremde freundlich – „ja, läßt sich denken. Erstlich ist es auch eine Reihe von Jahren her, daß wir uns trafen und dann verändert das Glück die Menschen oft wunderbar. Ich selber konnte mir aber doch die Freude nicht versagen, Sie wieder einmal aufzusuchen und da ich hier gerade ganz in der Nachbarschaft Geschäfte hatte ...“[WS 1].

„Aber wer sind Sie?” rief Herr Lerche, dem plötzlich eine Ahnung dämmerte, indem er dabei ganz blaß wurde.

„Ich?“ lachte der Fremde – „der Teufel! – kennen Sie mich nicht mehr?”

„Ave Maria und Joseph“, sagte Herr Lerche.

„Sein Sie nicht kindisch“, erwiederte der Fremde – „die Schreiber werden schon aufmerksam – ich will auch gar nichts von Ihnen, sondern freue mich nur, daß es Ihnen gut geht und – daß mein Rath bei Ihnen angeschlagen ist. – Sie befinden sich wohl?“

„Danke Ihnen“, sagte Herr Lerche in der größten Verlegenheit, denn er wußte wahrhaftig nicht, wie er mit dem Mann daran war. Er erkannte jetzt auch die Züge desselben wieder, die er damals allerdings nur undeutlich im Mondlicht gesehen; es war das nämliche bleiche, aber in nichts veränderte Antlitz – die Jahre waren spurlos an ihnen vorübergegangen und noch wie damals ruhten die dunklen, ausdrucksvollen Augen auf ihm und schienen sich fest in ihn hineinzubohren.

„Ihr Schwager ist wol nicht zugegen?” sagte der Fremde endlich, als Herr Lerche noch immer keine Worte fand ihn anzureden.

„Nur einen Augenblick auf sein Zimmer hinübergegangen; er muß gleich wieder zurückkommen“, sagte Lerche mit der größten Zuvorkommenheit. „Sie kennen ihn?”

„Wir sind alte Freunde“, lächelte der Fremde „und stehen auch in Geschäftsverbindung.“

„Wollen Sie denn nicht einen Augenblick Platz nehmen?“

Es lag ein eigener, malitiös humoristischer Zug um die Lippen des Fremden. Lerche fühlte sich aber dabei um so unbehaglicher, als er sich bewußt war ihm noch zehn Thaler zu schulden, die er nur höchst ungern zurückgezahlt hätte. – Und wer war der räthselhafte Mensch überhaupt? – Der, für den er sich ausgab, konnte er nicht sein, und jetzt stand er auf einmal mitten in der Stube und Keiner hatte ihn kommen hören.

„Herr“, sagte der Fremde nach kurzem Nachdenken, „ich möchte allerdings Herrn Köser erwarten – er wird sich freuen mich wieder zu sehen. – Bleibt er lange?"

„Er muß augenblicklich wiederkommen.“

„Schön“, sagte der Fremde – „dann wart’ ich“ und einen der Rohrstühle benutzend – selbst er getraute sich nicht auf das Sopha – nahm er an der Seitenwand Platz, ohne aber auch nur für einen Moment den Blick von Herrn Lerche abzuwenden, den dieser fühlte ohne ihm zu begegnen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. fehlt in der Vorlage
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/26&oldid=- (Version vom 14.2.2021)