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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte.

Herr Köser las: „Fassen wir aber das Ganze in wenige Worte zusammen und bewundern wir fortan sein großes Talent für Form, für Stylistik – seine Begabniß sich das Außerordentlichste anzueignen – seine reizende schöne Factur, seine zarten Fühlhörner und seine ernsthafte – ich möchte fast sagen passionirte Indifferenz[1] ... das verstehe ich nicht.”

„Lieber Schwager“, sagte Herr Lerche, mit der linken Hand eine abwehrende Bewegung machend – „überlassen Sie das mir. Sie verstehen das allerdings nicht, aber es drückt in höherer Weise aus, was unser geistiges Ich bei einer solchen Leistung empfindet. Bomeier ist in der That ein Künstler erster Classe und ich hoffe nur, daß er unserem Institut erhalten bleibt. Etwas Rohes, was er noch an sich hat, wollen wir dann schon abschleifen und poliren.“

„Na“, sagte Herr Köser – „dann geben sie nur dem Jungen da das Manuscript, daß er in die Druckerei kommt, denn er wartet schon eine ewige Zeit. Ich will hinüber gehen und mich rasiren lassen – mein Barbier kommt jetzt“, und ein viereckiges Stück Marmor mit einer Lyra darauf als Handgriff auf seine verschiedenen Briefschaften stellend, verließ er das Bureau, um sich auf kurze Zeit in seine eigenen Räume zurückzuziehen.

Herr Lerche hatte indessen den Setzerjungen abgefertigt und die verschiedenen eingelaufenen Zeitungen aufgegriffen, in deren Lectüre er sich vollkommen vertiefte. – Die Schreiber waren ebenfalls in voller und eifriger Arbeit und so mochte es geschehen, daß ein Fremder, von ihnen Allen unbemerkt, das Comptoir betrat und durchschritt. Herr Lerche hatte wenigstens nicht das Geringste gehört, als plötzlich dicht neben ihm eine Stimme sagte:

„Guten Morgen Herr Lerche!“

Guido fuhr in der That zusammen; als er aber über das Zeitungsblatt hinweg sah, erkannte er einen sehr anständig gekleideten Herrn vollkommen in Schwarz, mit sehr sauberer Wäsche, der dicht vor ihm stand und ihm freundlich, ja fast vertraulich zunickte.

Lerche starrte ihn überrascht an, denn die Züge des Fremden kamen ihm so merkwürdig bekannt vor und doch konnte er sich in dem Augenblick um’s Leben nicht besinnen, wo er ihn nur je gesehen hätte. Der Fremde aber, der ihn lächelnd betrachtete, fuhr ruhig fort.

„Also glücklich im Hafen der Ruhe angelangt? – Sie sehen gut aus, lieber Lerche und haben sich ordentlich herausgemacht. Das Unterkinn steht Ihnen vortrefflich und ich hätte Sie beinah gar nicht wiedererkannt.”

„Mit wem habe ich die Ehre?“ sagte Herr Lerche, der durch das vornehm nachlässige Wesen und diese anscheinende Vertraulichkeit ganz aus seiner gewohnten Rolle fiel und gar nicht grob wurde – „ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich nicht erinnern kann jemals das Vergnügen gehabt zu haben –”

  1. Wörtlich abgeschrieben aus einer Recension.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/25&oldid=- (Version vom 14.2.2021)