Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. | |
|
an seinem Pult stehen. Da aber die Dame in einem wahren Sturm durch das Comptoir fegte, wußte er auch, daß wieder irgend ein Wetter im Anzug sei und bereitete sich mit der größten Kaltblütigkeit vor, dem zu begegnen.
„Herr Köser“, sagte die Dame, ohne nur einen Morgengruß für nöthig zu halten und suchte dabei in ihrer etwas geräumigen Ledertasche nach einem Stück Zeitung, das sie endlich zu Tage brachte – „Sie entschuldigen mich, wenn ich Ihnen mit der Thür in’s Haus falle, aber ich muß auf die Probe.“
„Mein Fräulein“, sagte Herr Köser trocken – „es sollte mir ungemein leid thun, Sie aufzuhalten.”
Fräulein Ostachini, wie Die Dame hieß, oder wie sie sich vielmehr nannte, denn ihr eigentlicher Name war „Gelbholz“, hielt dem Theateragenten das Papier vor und sagte:
„Kennen Sie diese Zeitung?”
„Es wäre merkwürdig, wenn ich sie nicht kennte“, erwiederte Herr Köser mit einem flüchtigen Blick darauf, denn es war seine eigene und der Herr wußte jetzt schon vollkommen genau was die enragirte Sängerin von ihm wollte.
„Und diese Recension haben Sie in Ihr Blatt aufgenommen?” rief die Dame, die sich augenscheinlich Mühe gab ihr italienisches Temperament (Gelbholz) zurückzuhalten. – „Diese Recension über den – Backfisch – über diese Mamsell Bergen, die eine Stimme hat wie eine Trompete und aussieht wie ein Bauermädel – wie eine Kuhmagd mit ihren dicken rothen Backen und aufgedunsenen Gestalt? Und hat sie nur eine Idee von Gesang, Tremuliren – ja wol, das bringen wir nicht fertig – nicht ein einziges Mal in der ganzen Oper – und die Gans will auch noch von „getragenem“ Gesang reden!“
„Aber mein bestes Fräulein“, sagte Herr Köser, der indessen seinen Brief ruhig weiter gelesen hatte, denn die Dame kam jede Woche zwei Mal in einer ähnlichen Angelegenheit – „wenn Fräulein Bergen wirklich ausgezeichnet singt und von dem Publicum drei, vier Mal an einem einzigen Abend herausgerufen und mit Kränzen beworfen wird, so werden Sie uns doch wenigstens gestatten daß wir das einfach referiren.“
„Aber wer hat sie denn mit Kränzen beworfen?“ schrie die lebhafte Italienerin (Gelbholz) – „Jedes Stück kostet ihr zwanzig Groschen bei der Gemüsehändlerin und die übrigen hat ihr der verrückte Graf, der Engländer besorgt, mit dem sie ein Verhältnis hat.”
„Mein verehrtes Fräulein“, sagte Herr Köser vorwurfsvoll, die Dame verstand aber die Andeutung nicht und da sie sich einmal in ihren Grimm hineingearbeitet hatte, fuhr sie unerbittlich fort:
„Und einer solchen Person streuen Sie in Ihrem Blatt Weihrauch und nennen sie einen „Stern“, der das Größte ahnen ließe? – eine zweite Schröder-Devrient und Sonntag? und das mir in’s Gesicht, der ich ihr nur aus alberner Gutmüthigkeit die Rolle abgelassen habe? – Eine zweite Sonntag – es ist wahrhaftig zu lächerlich und nicht etwa
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/20&oldid=- (Version vom 14.2.2021)