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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte.

gewöhnlichen, selbstverständlichen Morgengruß seiner „Leute“ beantwortete er mit einem grunzenden, unarticulirten Laut, der wahrscheinlich „Morgen“ heißen sollte, aber eben so gut jedes andere Wort bedeuten konnte. Von dem Besuch nahm er gar keine Notiz, sondern trat nur zu seinem Pult, wo er die dort liegenden Briefe aufnahm und mit überreifer Erfahrung in derartigen Correspondenzen flüchtig sortirte, ehe er daran ging, einen oder den andern zu erbrechen.

Dann öffnete er den ersten, sah nur nach Ueber- und Unterschrift, dann den zweiten eben so, und nahm eben den dritten auf, als der Besuch sich doch glaubte bemerkbar machen zu müssen, und deshalb sich räusperte und ein paar Schritte vortrat.

Herr Köser war kein hübscher Mann. Schon in den Fünfzigen, mit einem Kopf voll dünner Haare, die jetzt mit Weiß gesprenkelt waren, mit den fast zu deutlich hinterlassenen Spuren von Pockennarben, mit kleinen, grauen, etwas wässerigen Augen und einem fast zahnlosen Mund, lag ein gewisser Zug von Verbissenheit in dem fetten Gesicht – den man freilich seinem ganzen Geschäft zugute schreiben mußte. Das brachte Aerger über die Undankbarkeit der Menschen im Allgemeinen und der Bühnendichter und Schauspieler im Besondern, zur Genüge mit sich.

Auch sein Aeußeres war nicht sehr versprechend, denn geistig thätige Menschen verwenden gewöhnlich nicht viel auf das – Herr Köser verwandte sogar nur ein Minimum darauf. Er war noch in seiner „Morgentoilette“, d. h. er hatte sich noch nicht einmal gewaschen und gekämmt und nur einen Schlafrock übergezogen – und was für einen Schlafrock. Neu mußte er allerdings einmal ein Prachtstück gewesen sein, mit rothem, echt gefärbten Futter, mit wollenem, großblumigen, türkischen Damast und einer hellblauen Schnur, mit eben solchen riesigen Quasten daran, aber, Du lieber Gott, der Zahn der Zeit nagt sogar an felsigem Gestein – an Granit und Porphyr – weshalb nicht auch an einem Schlafrock, so unappetitlich derselbe auch aussehen mochte. Der türkische Damast starrte von Schmutz, sowol an den Aermeln wie an den Taschen und vorn herab, die Ränder glänzten ordentlich. Auch ein altes, rothbaumwollenes Taschentuch, das ihm rechts mit einem langen Zipfel heraushing, erschien nur wie eine nichts verbessernde Draperie. Das Hemd, welches er außerdem ohne Halstuch und nur vorn mit einem Band zugebunden trug, gehörte – wenn nicht einer andern Generation, doch jedenfalls einer andern Woche an, und der große goldene Siegelring, der ihm dabei am rechten Zeigefinger stak, konnte nicht dazu dienen, die Toilette zu erhöhen.

Als er des jungen Fremden ansichtig wurde, warf er einen eben nicht freundlichen Blick auf ihn, erwiederte seinen Gruß auch nur durch ein ähnliches Knurren wie vorher und sagte dann mürrisch:

„Sind Sie denn noch in X –, Herr von – Wie heißen Sie gleich?“

„Von Goldstein, Herr Köser.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/17&oldid=- (Version vom 14.2.2021)