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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte.

Sonst hingen noch an den Wänden eine Anzahl von Lithographien, Photographien und Stahlstichen berühmter Künstler, an denen man auch genau wissen konnte, ob sie dem Bureau mit oder ohne Rahmen geschenkt waren. – Die ohne Rahmen waren nämlich nur einfach mit Stiften an die Wand genagelt, und wenn den Betreffenden daran lag, ihr Bild hier erhalten zu sehen, nun so mochten sie einen Rahmen nachliefern.

Der Briefträger kam und legte ein Packet Briefe auf den Schreibtisch des Principals, Herrn Cuno Köser’s, der aber noch nicht erschienen war, denn er liebte Morgens seine Ruhe. Unter den Briefen befanden sich zwei unfrankirte; der Postbote zeigte sie aber nur lächelnd einem der jungen Leute und schob sie dann wieder in die Tasche zurück. Er kannte die Geschäftsordnung im Hause – unfrankirte Briefe wurden nie angenommen, denn man hatte zu bittere Erfahrungen mit deren Inhalt gemacht. Gewöhnlich waren sie in einem mehr als groben Styl geschrieben und wimmelten von Injurien, enthielten aber stets, statt der Unterschrift, die Photographie des Betreffenden, und auf die ließ sich nicht klagen; denn die konnte ein Jeder einkleben.

Uebrigens kamen solche „kleine Unannehmlichkeiten” auch zuweilen in frankirten Briefen vor, wanderten dann aber gleich in den Ofen, denn dem Papierkorb durfte man sie nicht anvertrauen, oder die Schreiber hätten sich darüber lustig gemacht.

Trotz der frühen Morgenstunde saß aber schon ein „Besuch” im Comptoir, dem Einer der jungen Leute das Sopha angewiesen, der aber trotzdem einen Rohrstuhl vorgezogen hatte. Es war ein noch blutjunger Mensch, etwas auffallend gekleidet. Er trug seine braunen, lockigen Haare, sorgfältig gebrannt, in einem großen Toupet auf der rechten Seite, vollkommen moderne Kleidung, eine himmelblaue, seidene Cravatte, eine große Tuchnadel, eine goldene Uhrkette und ziegelrothe Glacéhandschuhe. So zuversichtlich er sich aber auch sonst seinem ganzen Aeußern nach benehmen mochte, hier schien er sich in einer etwas gedrückten Stimmung zu befinden. Er saß – die Füße eingezogen und den wolgebürsteten Hut zwischen den Knieen, auf seinem Rohrstuhl, als ob er fürchtete, daß derselbe jeden Augenblick mit ihm zusammenbrechen könne. Er sah auch verschiedene Male nach seiner Uhr – die Zeit verging ihm jedenfalls sehr langsam, aber er wagte nicht den entschiedenen Wunsch auszusprechen, Herrn Köser gleich zu sprechen – er wußte recht gut, daß er den betreffenden Herrn dann in böse Laune gebracht hätte, und das wollte er vermeiden.

Wol dreiviertel Stunden mochte er so gesessen haben, ohne daß aber die Schreiber die geringste Notiz von ihm nahmen, als plötzlich die eine Seitenthür aufging und Herr Köser selber, ohne weitere Anmeldung, auf dem Schauplatz erschien.

Die beiden Schreiber verbeugten sich mit einem achtungsvollen „Guten Morgen“ und der Besuch erhob sich ebenfalls rasch von seinem Sitz. Herr Köser hatte aber keinen Blick für sein „Bureau“. Den

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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/16&oldid=- (Version vom 14.2.2021)