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und dennoch zu zwei Teilen lang genug. Notwendiges Requisit war nach den oben angedeuteten Gesetzen: 1) Ein junger, schmächtiger, etwas bleicher, rabengelockter Mann, unglücklich, aber steinreich. 2) Die Heldin des Stücks, ein tanzendes, plauderndes, naives, schönes, lüsternes, mitleidiges „Dingelchen“, dem das Herzchen alsbald vor Liebe „puppert“, dem die Liebe alles Blut aus dem Herzen in die Wangen „pumpt“. (Welch gemeines Bild, von einem Weinfaß entlehnt, eines Küfers würdig!) 3) Ein Spiritus familiaris, wie wir ihn beinahe in allen Claurenschen Geschichten treffen, ein altes, freundliches „Kerlchen“, das den Liebenden mit Rat und That beisteht. 4) Ein neutraler Vater, der zum wenigsten Präsident sein muß. 5) Ein paar Furien von Weibern, die das böse, eingreifende Schicksal vorstellen. 6) Einige Husarenlieutenants und Dragoneroffiziere, nach seinen Modellen abkonterfeit. 7) Ein alter Onkel, der mit Geld alles ausgleicht. 8) Bediente, Wirte et cetera. So waren die Personen arrangiert, das Stück zu Faden geschlagen, und jetzt mußte gewoben werden. Hier mußte nun hauptsächlich Rücksicht darauf genommen werden, daß man sein Dessin immer im Auge behielt, daß man immer daran dachte, wie würde er, der große Meister, dies weben? Das Gewebe mußte locker und leicht sein, keiner der Charaktere zu sehr herausgehoben und schattiert. Es wäre z. B. ein Leichtes gewesen, aus Ida eine ganz honette[WS 1], würdige Figur zu machen; der Charakter des Hofrat Berner hätte mit wenigen Strichen mehr hervorgehoben werden können; man hätte aus der ganzen Novelle ein mehr gerundetes, würdiges Ganze machen können; aber dann – war der Zweck verfehlt. So flach als möglich mußten die verschiedenen Charaktere auf der Leinwand stehen, steif in ihren Bewegungen, übertrieben in ihrem Herzeleid, grell in ihren Leidenschaften, sinnlich, sinnlich in der Liebe. Jene Novelle an sich hat keinen Wert, und dennoch hat es mich oft in der Seele geschmerzt, wenn ich eines oder das andere der gesammelten „Zuthätchen“ einstreuen, wenn ich von keuschem Marmorbusen, stolzer Schwanenbrust, jungfräulichen Schneehügeln, Alabasterformen et cetera sprechen mußte, wenn ich nach seinem Vorgange von schönen „Wäd–“, von süßen „Kü–“ (was nicht Küche bedeutet), [249] von wollüstigen Träumen schreiben sollte; wenn die Liebesglut zur Sprache kam, die dem „jungfräulichen Kind“ wie glühendes Eisen durch alle Adern rinnt, daß sie alle andere Tücher wegwirft und die leichte Bettdecke herabschieben muß! Ich habe gelacht, wenn ich nach Anleitung seines Gradus ad parnassum[1] als Beiwort zu den Haaren „kohlrabenschwarz“ oder „Flachsperücke“ setzen mußte, wenn man statt der Augen „Feuerräder“ oder „Liebessterne“ hat, Korallenlippen, „Perlenschnüre“ statt der Zähne, Schwanenhälse samt dito Brust, Knie, die man zusammen „kneipt“, weil man vor Lachen „bersten“ möchte; Wäd- und Füßchen zum Kü– und dergleichen lächerlich gemeine Worte. Nachdem gehörig getollt, gejodelt, getanzt, geweint, abgehärmt war, nachdem, wie natürlich, das Laster besiegt und die Tugend in einem herrlichen Schleppkleide mit Brüsseler Kanten, Blumen im Haar auf die Bühne geführt war, wurden als Morgengabe mehrere Millionen Thaler, einige Schlösser, Parks, Gründe et cetera aufnotiert und Hochzeit gehalten. Da gab es nun ein „erschreckliches Hallo, daß man nicht wußte, wo einem der Kopf stand“, es wurde trefflich gespeist und getrunken und das selige Liebespaar beinahe bis in die Brautkammer befördert.

Das ist der Ur- und Grundstoff, wie zu jedem Claurenschen Roman, so auch zum Mann im Monde; auf diese Art suchte er seinen Zweck zu erreichen, durch Übersättigung Ekel an dieser Manier hervorzubringen, die Satire sollte ihm Gang und Stimme nachahmen, um ihn vor seinen andächtigen Zuhörern lächerlich zu machen. Mit Vergnügen haben wir da und dort bemerkt, daß „Der Mann im Monde“ diesen Zweck erreichte. Jeder vernünftige, unparteiische Leser erkannte sein Absicht und, Gott sei es gedankt, es gab noch Männer, es gab noch edle Frauen, die diese öffentliche Rüge der Mimili-Manier gerecht und in der Ordnung fanden.

Öffentliche Blätter, deren ernster, würdiger Charakter seit einer Reihe von Jahren sich gleich blieb, haben sich darüber ausgesprochen, haben gefunden, daß es an der Zeit sei, dieses geschmacklose, unsittliche, verderbliche Wesen an den Pranger zu


  1. Bezeichnung für die Wörterbücher zum Gebrauch beim Versemachen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Auf biedere, naive Weise anständig, ehrenhaft und deshalb achtenswert.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 248–249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_127.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)