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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

III.

Ueber die Humanität des Künstlers.



Kölln.

Wir giengen in den Dom, und blieben drinn, bis wir im tiefen Dunkel nichts mehr unterscheiden konnten. Immer wieder, so oft ich diesen Ort besuche, gehe ich in diesen herrlichen Tempel, damit die Schauer des Erhabenen mich anwehen mögen. Vor der Kühnheit menschlicher Meisterwerke stürzt der Geist zur Erde nieder voll Erstaunen und Bewunderung, dann hebt er sich wieder mit stolzem Fluge über das Vollbringen weg, das nur eine Idee eines verwandten Geistes war. Je riesenmäßiger die Wirkungen menschlicher Kräfte uns erscheinen, desto höher noch schwingt sich das Bewußtseyn des wirkenden Wesens in uns über sie hinaus. Wer ist der hohe Fremdling in dieser Hülle, daß er so in mannichfaltigen Formen sich offenbaren, diese redenden Denkmale von seiner Art, die äussern Gegenstände zu ergreifen, und sich anzueignen, hinterlassen kann? Wir fühlen, Jahrhunderte später, dem Künstler nach, und ahnden die Bilder seiner Phantasie, indem wir diesen Bau durchwandern.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_083.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)