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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

war? Wäre das, so war seine fromme Raserei freilich unheilbar, aber dann verdienen seine ungeheure Maximen unsern Unwillen mehr als unsern Abscheu. Doch ist es mehr als zu wahrscheinlich, daß er sich der Religion nur als eines Schleiers bediente, seine unrechtmäßigen Handlungen in dieser heiligen Hülle vor den Augen der Welt zu verbergen.




Im Abregé chronologique de l’ Histoire d’ Espagne, findet sich folgender Abriß von Philipp dem Zweiten, dessen Mittheilung dem Leser nicht unangenehm sein wird.

„Er war von mittelmäßiger, aber wohl proportionirter Statur – von breiter Stirne blauen Augen, standhaftem Ansehen, und einer ernsthaften gravitätischen Miene. Religionseifer, Stolz und Härte machten die Grundzüge seines Charakters aus. Er würde mit kaltem Blut und mit Gelassenheit die Kezer bis auf den lezten Mann ausgerottet haben. Um die Staatsangelegenheiten bekümmerte er sich so sehr, als ein Fürst nur thun konnte, er gieng in die geringsten Kleinigkeiten der Verwaltung hinein. Er sezte aus seinem Kabinet alle Triebfedern der grausamsten Staatskunst in Bewegung, er wollte für sich allein, ohne Bundsgenossen handeln. Er war undurchdringlich, mißtrauisch, voll Verstellung und Rachsucht; er achtete nichts, sobald es auf Ausführung seiner Anschläge ankam; nichts schröckte ihn – er schien über alle Vorfälle erhaben

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)