Seite:De Thalia Band1 Heft2 080.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

wenn sie anders diesen Namen verdient, war der einzige Zuwachs den die spanische Macht unter Philipp dem Zweiten gewonnen hat.

Karl der Fünfte hatte der Welt ein außerordentliches Schauspiel gegeben, da er auf einmal dem kühnen Phantom einer allgemeinen Herrschaft entsagte, seiner ungeheuren Macht sich freiwillig entlastete, und alle seine Kronen einem Sohn übergab, den er nicht einmal liebte. Merkwürdig war die Erscheinung, diesen mächtigen Souverain so viele königliche und kriegrische Geschäfte ohne Rükbehalt gegen Mönchsübungen vertauschen zu sehen. Er beschloß seine erhabene Rolle mit einem gänzlichen politischen Tode, indem er sich vor den Augen der Welt in die Mauren eines Klosters begrub, und für seine abgeschiedne Seele Messen absingen ließ, gleichsam als hätte er aufgehört zu seyn; und doch fehlte noch etwas, sein Leichenbegängniß vollkommen zu machen – eine Stimme der Wahrheit, welche nach dem Tode sonst zu erschallen pflegt.

Karl der Fünfte that stets das Gegentheil von dem was er aufs heiligste zusagte; Zweideutigkeit war die Base seines Charakters. Von jener erstaunenswürdigen Entsagung der Krone bleibt der wahre Bewegungsgrund noch immer ein Räthsel; aber kaum hatte er die Begräbnißfarce gespielt, als ihn dieser Schritt schon gereute. So wie Philipp Besiz von der Regierung genommen hatte, achtete man Karls nicht mehr. Von seinen Unterthanen vergessen, lebte er mitten unter

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft2_080.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)